Tanz der Schatten I


Historica Aventuria 6 n.Hal   



Niemand wußte woher der Schattenrat gekommen war. Kaum ein Sterblicher ahnte von seiner Existenz. Und doch hatten viele ihr Leben dem Rat zu verdanken. Dem Rat, der den Hunger und den Haß derer kontrollierte, denen weder das Leben noch der Tod vergönnt war.


Die Einladung

Personen : Gerrik   Aaron   Boromur   Xara   Ebinea   Rank  



 15.Ingerimm 6 n.Hal

Gerrik Gerdenwald saß neben seinem Vater in der kleinen Schmiede in Mühlingen, etwa eineinhalb Tagesreisen nördlich von Greifenfurt in der Baronie Nebelstein. Er war vor einem halben Madalauf aus Nostria zurückgekehrt und erholte sich von den Wirren des Krieges. Kaum hatte sich Kasimir IV zum König von Nostria ausgerufen, hatte sich sich Wendolyn VII zum König von Andergast ernannt. Selbstverständlich brach wieder Krieg zwischen den Nationen aus und stürzte die Bevölkerung in Leid und Elend. Zu den Schlachten des Miltärs und der Bürgerwehren kamen die Goblinhorden, die seit über einem Götterlauf plündernd und mordend durch das Land zogen. Gerrik half auf seinem Weg so gut er konnte. Oft waren es Bauern und Landarbeiter, die ihm wenig zahlen konnten. Gerrik war dennoch zufrieden. Sein Schwertarm hatte gute Arbeit verrichtet, seine Kampferfahrung war gewachsen und zu helfen brachte ihm ein gutes Gefühl, welches er zuvor so nie erlebt hatte.

Seine Begegnung mit den Abenteurern auf dem Hügel des Grauens, dem ewig traurig und tief ernst scheinenden Aaron Falkenauge, dem lebensfrohen, gemütlichen Berim Basar, dem eleganten Tahlion Trendfort, dessen Zunge immer in's Schwarze traf und der tatkräftigen, kumpelhaften Magierin Zeziliana, hatte ihn verändert. Oft gingen seine Gedanken diesen Menschen nach.

Aaron Falkenauge, ein Waldläufer elfischer Art war der Sonderbarste. Sein Alter war unmöglich zu schätzen. Seine weiche dunkelgrüne Wildlederkleidung, seine Bewegungen, seine Waffen, alles deutete auf einen Elfen. Doch sein scharfkantiges Gesicht, seine markante Nase, das spitze Kinn, die runden Ohren und sein kräftiger Körper waren die eines Menschen. Er sprach wenig, sein ernstes, trauriges Äußeres war kaum zu durchdringen, er vermied die Gesellschaft und wußte doch mehr von allen Dingen und Menschen als die anderen. Seine Worte und seine Entscheidungen wurden nie angezweifelt. Er war der Führer der Gruppe. Ein Führer der keine Befehle brauchte. Und er hatte dem Land helfen wollen, ohne eigenen Vorteil, einfach so.

Berim Basar war das Gegenstück. Sehr groß, muskulös, ein Kämpfer, mit rundem Gesicht und rundem Bauch. Wer ihn als dick beschreiben würde, hatte seine blitzschnelle Attacken und Paraden mit seinem Stock nicht gesehen. Er war nie schlecht gelaunt, immer für einen Spaß zu haben und verbreitete eine Lebensfreude, die manchmal sogar Aaron aus seiner Traurigkeit riß. Gerrik hatte erfahren, daß Berim aus dem Süden stammte und lange Zeit als Gladiator in der Arena gekämpft hatte, bis Aaron damals sein Leben gerettet und befreit hatte.

Thalion Trendfort war ein nobel gekleideter Lebemann des Lieblichen Feldes, obwohl er aus dem nostrianischen Joborn kam. Stets auf sein Äußeres bedacht, voller Schmuck und viele, verschnörkelte Worte gebrauchend, wirkte er oberflächlich und arrogant. Doch Gerrik hatte ihn anders erlebt. Seine Worte waren scharf und gefährlich wie die Spitze seines Floretts, welches er meisterlich beherrschte. In gefährlichen Situation wurde Thalion zu einem Fuchs. Still, schnell, geschickt und tödlich. Thalion hatte erzählt, daß Aaron und er im wesentlichen der gleichen Sache dienten. Für Gerrik war das schwer vorstellbar.

Die Magierin Zeziliana war Gerrik unheimlich. Zwar war sie ihm durch ihre zupackende, gar nicht magierhafte Art, sehr sympathisch. Ihr charmantes, hübsches Äußeres, die blaue Tunika, die langen dunkelbraunen Haare, die strahlenden blauen Augen und die niedliche Nase gefielen ihm gut, doch nach ihrer Verwandlung, dem Blutbad in den Goblinhallen und ihrem Angriff auf ihn, war Gerrik unsicher geworden. Dann wieder hatte sie sein Leben gerettet und ihr eigenes gefährdet. Sie hatte ihn nicht im Stich gelassen. Gerrik wird Zauberer nie verstehen.

So verschieden sie waren, sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Gerrik zweifelte keine Sekunde, daß jeder sein Leben für den anderen gegeben hätte. Gerrik hatte es sehr geschätzt, eine Zeitlang dazuzugehören.

In diesem Augenblick fiel ihm das Schreiben ein, welches Thalion ihm beim Abschied am Hügel gegeben hatte. Vor lauter Goblins und Schlachten hatte er nie den ruhigen Moment gefunden, sich dem Text zu widmen und ihn beinahe vergessen. Schnell rannte er in's Haus und fischte das Schriftstück aus seinem Rucksack. Es war ein wenig von Bier durchtränkt, aber noch lesbar :


Werter Gerrik Gerdenwald,

wir waren von Eurer Begleitung sehr angetan und Zeziliana, Berim und meine Person würden Euch gerne auf ein Fest einladen.

Der ehrenwerte Amstrad de Brion, Freiherr der Burg zur Dunkelschlucht und seine Anvertraute Anastasia Delar de Brion haben uns gebeten, sie zum "Tanz der Schatten" zu begleiten. Alle fünf Götterläufe findet auf Schloß Drachenstein im östlichen Teil des Finsterkammes ein Maskenball statt und es ist üblich, daß die hohen Familien des Schattenrates einige Gäste mitbringen.

Für das Leibliche Wohl wird ausgiebig gesorgt werden, um sein eigenes muß man sich jedoch selbst kümmern. Anhand der letzten Worte erkennt ihr, daß es sich um keine gewöhnliche Einladung handelt.

Aaron kennt den Freiherrn de Brion seit einiger Zeit und dank seiner Hilfe haben wir manche Untat verhindern und den Menschen in goßer Not helfen können. Bevor wir zum Hügel aufgebrochen sind, erhielt Aaron die Bitte des Freiherrn, ihn zu diesem Fest zu begleiten. Aaron hat nicht viel über den Inhalt des Schreibens verloren, wie es seine Art ist, aber wenn ich mich nicht irre, ist der Schatten auf seinem Gemüt nach dem Schreiben noch dunkler geworden.

Die Einladung gilt für 10 Personen. Nehmen wir die beiden Herrschaften, Zeziliana, Aaron, Berim und meine Wenigkeit aus, bleiben 4 Plätze frei.

Da wir nun immer noch mit diesem ungemütlichen Hügel und dem Goblinproblem beschäftig sein werden und uns die Zeit fehlt, bitten wir Euch, sofern ihr dazu bereit seid, mit drei weiteren vertrauensvollen Gefährten am nächsten "Tage des Schwurs" in der Schenke "Zum hohen Roß" in Lowangen auf uns oder einen Boten zu warten. Da ihr Amstrad de Brion zu kennen scheint, glauben wir, ihr werdet die richtige Wahl der Begleitung treffen.

Hochachtungsvoll

                          Thalion Trendfort



Gerriks Blick viel auf das verzierte Schwert in der Ecke. Er hatte es von diesem Freiherrn bekommen, als er in den Tagen des Namenlosen vor einem Götterlauf ein lebensrettendes Medikament von Wehrheim nach Baliho gebracht hatte. Für dieses Schwert und einen Beutel voller Juwelen hatte es diesem seltsamen Mann und seiner Begleiterin ein Stück seiner Lebensspanne, wie sie es genannt hatten, verkauft und somit einen schrecklichen Kampf verhindert.

Das Schwert war so merkwürdig wie sein ehemaliger Besitzer. Bei kleineren Gegnern war es wie jedes andere Schwert, aber wenn er gegen größere, stärkere Feinde kämpfte, verursachte es höchstens den halben Schaden und war stumpf und träge zu führen. Dafür hatte es bei den Skeletten meisterliche Arbeit geleistet und in wenigen Streichen die widerlichen Kreaturen vernichtet. Aaron hatte offenbar das Schwert erkannt und Zeziliana erwähnte seine magische Kraft. Durch die beiden hatte er auch entdeckt, daß zwei kleine Schmuckteile in der Parierstange fehlten. War dies ein Zufall oder waren dieses Schwert und diese Einladung ein schicksalshafter Wink der Götter ?



Gerrik dachte nach. Viele tapfere Mitstreiter kamen ihm in den Sinn, aber wer war für diese besondere Einladung geeignet? Und wo hielten sich die Abenteurer auf ? Wohin sollte er Boten schicken ? Nach einigen Überlegungen war er sich schlüssig. Noch am selben Abend schickte er einen der Botenjunge des Dorfes nach Greifenfurt.

 17.Ingerimm 6 n.Hal

Ein Reiter des "Greifenfurter Express" rannten noch vor dem ersten Schein der Praiosscheibe aus dem Postgebäude. Zuerst begab er sich an die steinernen Pforten des Ingerimm Tempels und gab ein versiegeltes Schreiben ab. Gerade rechtzeitig kam er zum Platz der Eiche und warf den schweren Postsack auf das Dach der Eilkutsche nach Gareth. Außer Atem warf er einen kurzen Blick zum Himmel. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er kehrte bei der "Singenden Lärche" zu einem ausgiebigen Frühstück ein, bevor er sich auf sein Pferd schwang, es zum östlichen Stadttor lenkte und ihm die Sporen gab.

Bei Angrosch es war ein heißer Tag. Ibrox Rantalan wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der schwere Hammer schlug die 14 Stunde des Feuers. Ibrox hob den Hammer, um den 15. Schlag zu vollenden und ließ ihn wieder sinken. Er empfing eine Nachricht aus dem entfernten Greifenfurt. Dank der göttlichen Verständigung konnten Botschaften innerhalb weniger Augenblicke weite Distanzen überwinden. Ibrox war verwirrt. Diese Botschaft gehörte nicht zu den Wichtigen. Es war eine Schande, sie auf göttlichem Wege zu überbringen. Und wer bitte war dieser Boromur Goldbart ? Einige Sekunden zu spät erscholl der 15 Schlag der Stunde des Feuers.

 18.Ingerimm 6 n.Hal

Boromur Goldbart erhielt das Schreiben zwei Tage später. Ein Bote aus dem Tempel brachte es neben einigen Schmuckstücken, die es zu schätzen galt, mit. Die Stücke waren außerordentlich wertvoll, eine Spende des Fürsten zum Tag des Feuers. Boromur verwendete viel Zeit, diese Kostbarkeiten zu werten, zu betrachten, sich durch ihre Schönheit verzaubern und die Facetten des Lichtes in seinen Augen wiederspiegeln zu lassen. Am Abend, als die Juwelen abgeholt wurden, blieb das Schriftstück auf dem kleinen Holztisch liegen. Boromur zündete sich eine Pfeife an, füllte einen Krug mit gutem Dunkelbier und musterte das Siegel. Es war von Ibrox Rantalan, dem obersten Tempelwächter. Boromurs Neugier wuchs. Mit einem verzierten, goldsilbernen Schmalmesser löste der Zwerg das Siegel und laß :

Euer Gnaden, ehrenwerter Boromur Goldbart,

sicher denkt Ihr noch genauso oft wie ich an jene Tage zurück, als wir gemeinsam mit unseren Gefährten jenen sagenhaften Skelettdrachen zur Strecke gebracht haben. Ich hoffe, ihr habt Euch von diesem Erlebnis wieder gut erholt, und habt insbesondere den Verlust Euerer Laterne einigermaßen verschmerzt.

Ich möchte Euch einladen, meine Gefährten von damals und mich zu einem, wie mir mitgeteilt wurde, aussergewöhnlichen Maskenball zu begleiten. Ihr erscheint mir als eine Person, die Neuem und eventuell Seltsamen gegenüber durchaus aufgeschlossen ist, über sehr gute Manieren verfügt und darüberhinaus, wenn es erforderlich ist, sich durchaus seiner Haut zu erwehren weiss. Dies erscheinen mir gerade die Eigenschaften zu sein, die bei diesem Ball gefragt sind.

Wenn Ihr meiner Einschätzung zustimmt und Interesse habt, dann findet Euch doch bitte am nächsten "Tage des Schwurs" in der Schenke "Zum hohen Roß" in Lowangen ein.

Hochachtungsvoll,             Gerrik Gerdenwald

Boromur schluckte die Hitze, die in ihm Aufstieg mit einem großen Schluck Bier hinunter. Warum mußt ihn dieser Mensch an die erloschene heilige Flamme erinnern. Den ganzen Götterlauf lang hatte es gedauert, sie unter Angroschs Wacht zu fertigen, zu weihen und am Tage des Feuers zu entzünden. Und was schrieb er da von einem Ball ? Maskenball?

 19.Ingerimm 6 n.Hal

Gleich am nächsten Morgen erkundigte sich der Zwerg, was ein Maskenball sein. Er bekam zur Antwort : "Viele Menschen, Kostüme, Tanzen, Singen, Essen, Trinken, Feiern, Verkleidung und Gesichtsmasken." Jawollja, das könnte was sein. Bei den Menschen einmal feiern, in adligen Kreisen, Reichtum, hübsche Dinge, allerlei ... aber was soll heißen "sich durchaus seiner Haut zu erwehren weiss" - - hmmm... etwas derbere Feier, umso besser. Zwergenparties sind auch nicht ohne ...




Der Botenjunge von Mühlingen rollte die Augen. Kaum war er im Dorf erschienen, winkte Gerrik mit einem Brief in seiner Hand. Eine dringende Nachricht an eine Freundin. Der Brief müsse unbedingt sofort weg. Nach zwei Silbertalern wendete der Junge sein Pferd und machte sich auf den Weg. Den selben, den er gerade gekommen war.

 20.Ingerimm 6 n.Hal

Die Kutsche hielt auf dem Platz der Schwerter. Der Sack wurde zur Expressstation gebracht und sortiert. Eine Stunde später betrat ein Träger das Wirtshaus "Schwarzer Bock" und wechselte, neben der Bezahlung der Briefe, ein paar belanglose Wort mit dem Wirt und Besitzer Ephraim Budenbrock. Zwei der Briefe kamen von seiner Nichte aus Greifenfurt, die wieder einmal in Geldschwierigkeiten war und um Hilfe bat. Der andere war für Rank Rotfuchs, seinen Teilhaber. Er konnte gar nicht mehr so richtig nachvollziehen, wie er überhaupt zu einer Partnerschaft gekommen war, aber er mochte diesen schrägen Vogel. Rank hatte zur richtigen Zeit eine Summe investiert, um die Gästezimmer ausbauen zu können und immerhin hatte der weitbekannte Barde Luinando de la Rossa ein Wort für ihn eingelegt.

Neben dem Geld sorgte Rank, wenn er anwesend war, für die Unterhaltung der Gäste. Er kannte gute Geschichten und sein Redefluß war schwer zu bremsen. Am meisten mochte Ephraim die Geschichte, wie Rank einen angeblich toten Zwerg mit Flüchen und Wortwitz so niedergeredet hatte, daß dieser ihm aus reinem Selbstschutz schließlich geholfen hatte. Rank gehörte ein kleines Zimmer am Ende des Flures im ersten Stock. Dorthin brachte der Wirt den Brief und legte ihn, zusammen mit den 5 Dukaten Gewinnbeteiligung auf die alte, mit vier Schlössern gesicherte Truhe.


 21.Ingerimm 6 n.Hal

Der Expressbote in Greifenfurt starrte auf den Brief nach Veilingfeil im Nordosten der Grafschaft Warunk. Erst vor kurzem war ein Bote nach Osten geritten. Der hätte den Brief gut mitnehmen können. Langsam gingen ihnen die Reiter aus. Wie an jedem Ende eines Götterlaufes verschickten scheinbar alle Bewohner Greifenfurts Briefe, die selbstverständlich noch vor der Götterwende ankommen sollten. Sein Schaden sollte es nicht sein. Die Preise waren entsprechend hoch und die Reiter motiviert noch vor den letzten fünf Tagen wieder zurück zu sein. Da kein Reiter frei war, ging der Brief mit der nächsten Kutsche nach Gareth.

 24.Ingerimm 6 n.Hal

Almanda Winterstreif zog den Orkpfeil aus dem Rücken des Mannes. Ihre Pfeile waren zu langsam gewesen. Sie wunderte sich. Sie hatte für drei Orks vier Pfeile benötigt - einen zuviel. Almanda ignoriert die Leichen der Orks. Der Mann war offensichtlich ein Bote aus Tiefhusen. Die typische Ledertasche mit dem Zeichen der Stadt enthielt zwei Briefe und ein kleines Efeukästchen auf dem das Siegel der Akadmie zu Gerasim befestig war. Das Kästchen war sehr hübsch, frei gewachsen und mit der Kraft der Natur geformt. Es sollte sein Ziel erreichen, beschloß Almanda, nahm die Tasche an sich und eilte über die Wipfel der Bäume den Kvill entlang nach Westen.

 26.Ingerimm 6 n.Hal

Mondglanz Eichenfeld war über das Kästchen dankbar. Es stammte aus der Zeit der Elfenverfolgung in Mengbilla und versprach Kräfte gegen die gefallenen erbarmunglosen Seelen der Dunkelelfen. Mondglanz berief augenblicklich eine Versammlung auf dem Platz der Einheit. Das Madamal stand hoch, die Nachtwende war gerade vorrüber, es war eine gute Stunde zu Analyse.

Ebinea erwacht durch das Rufen der Kvilldrossel. Eine Versammlung wurde gerufen. Die Ruf erscholl vier mal, also nur für Magier. Ebinea dreht sich auf ihrem bequemen Lager um und schloß die Augen. Im Mund sammelte sich der Geschmack des leckeren Honigkuchens. Ebinea lächelte. Sie hatte ein Stück mitgehen lassen - für das Frühstück.

Eine Hand berührte sanft ihre Schulter. Ebinea zuckte zusammen und saß senkrecht im Bett. Sie haßte es, wenn sich die Elfen lautlos und ohne Voranmeldung an sie heranschlichen. Die Elfe entschuldigte sich vielmals, nickte Ebinea freundlich zu und gab ihr ein einfaches Schreiben :

Ehrenwerte Ebinea von Kaliandor,

sicher erinnert Ihr Euch an jenes wahrlich lebensverändernde Ereignis in den Tagen des Namenlosen, als wir dem Freiherr der Burg zur Dunkelschlucht und seine Anvertrauten begegnet sind. Im Gegensatz zu unseren damaligen Gefährten wart Ihr als einzige bereit einen kleinen Teil Euerer Lebensspanne zu unserer Rettung, und speziell zur Rettung unseres Gefährten Fenek zu geben.

Von einigen anderen Gefährten erhielt ich nun die Einladung, sie und den Freiherrn auf einen aussergewöhnlichen Maskenball zu begleiten. Nun möchte ich Euch einladen uns ebenfalls zu begleiten. Da Ihr den Freiherrn ja bereits kennenglernt habt, werdet Ihr Euch sicher nicht darüber wundern, dass die Gäste sich um ihr eigenes Wohl selbst zu kümmern haben. Euch als meine Begleitung zu wissen, würde mich dem Ereignis unbesorgt entgegensehen lassen.

Wenn Ihr Interesse habt, dann trefft mich doch bitte spätestens am nächsten "Tage des Schwurs" in der Schenke "Zum hohen Roß" in Lowangen. Ich würde mich freuen Euch schon auf dem Weg dorthin begleiten zu dürfen.

Hochachtungsvoll,             Gerrik Gerdenwald


Ebinea gähnte kräftig. Sie faltete den Brief zusammen, legte sich auf ihr Lager und schlief weiter.


 28.Ingerimm 6 n.Hal

Es kam sehr selten Post nach Veilingfeil. Der Bote stand recht verloren auf der Mitte des Dorfplatzes. Die Wege hatten keine Namen, die Hütten könnten jedem gehören, es gab weder Herberge, Tempel noch sonst irgend etwas Öffentliches. Alles was er hatte war der Name einer Frau. Der Bote faste sich ein Herz, holte tief Luft und schrie aus Leibeskräften : "Wohnt hier eine Xara ?" Als erstes flog ihm ein Grünkohl an den Kopf, gefolgt von einem "Ruhe, Du Kindskopf" oder so ähnlich. Der Dialekt war ihm fremd. Eine alte Frau kam aus einer anderen Hütte und fragte mit knarrender Stimme, was er gesagt hätte. Ein dritter Kopf kam aus einem Fenster und zeigt nach Norden auf eine große Hütte am Rand des Dorfes.

Xara bekam den Brief wenige Schritte später. Zwei Kinder hatten den Boten angekündigt, die Nachbarin eilte zusammen mit dem Mann in die Hütte und ein neugieriger Haarschopf blitzte kurz am Fenster vorbei. Xara lächelte vor sich hin, bezahlte den Mann, und laß :

Werte Xara,

lange hat es gedauert, aber nun endlich kann ich mich für Euere freundliche Einladung, jenem äußerst interessanten Fest beizuwohnen, revanchieren. Mit diesem Schreiben möchte ich Euch anbieten, mich zu einem aussergewöhnlichen Maskenball zu begleiten. Allein die Art der Einladung, sowie die zwei mir bekannten Mitveranstalter dieses nur alle fünf Götterläufe stattfindenden Balles, lassen ein ähnlich interessantes Ereignis erwarten wie jenes, an dem ich dank Euch teilhaben durfte.

Euere äußerst attraktive Erscheinung und Euere charmante Art würde dem Ball dieser hohen Familien einen unvergesslichen Glanzpunkt hinzufügen. Ich würde mich sehr glücklich schätzen Euch zu meiner Begleitung zählen zu können.

Wenn Ihr mir also die Ehre macht meine Einladung anzunehmen, dann trefft mich doch bitte spätestens am nächsten "Tage des Schwurs" in der Schenke "Zum hohen Roß" in Lowangen. Oder aber ihr erweist mir die Ehre, und erlaubt mir Euch dorthin zu geleiten. Dann teilt mir bitte mit, wo ich Euch treffen kann.

Hochachtungsvoll,

Gerrik Gerdenwald,
Träger der Wüstenblume 1. Grades



Xara's Lächeln wurde stärker. Auf ein zögerliches Nachfragen der Nachbarin, sprang Xara auf, schnappte sich ihren Stab, schlängelte sich zwischen den Kindern und der Nachbarin aus der Tür und rief über die Schulter : "Ich gehe auf einen Ball !"

Xara's Großmutter hatte nichts dagegen. Ihre alten Knochen weigerten sich ab und zu, aber für die nächsten Tage würde sie ihre Enkelin entbehren können. Und ein wenig Spaß könnte die Kleine etwas aufmuntern. Xara hingegen überlegte sich, was sie anziehen sollte. Es blieb ausreichend Zeit. Der 5.Rondra war über zwei Madaläufe entfernt. Ihr Festkleid vielleicht? Und eine Rabenmaske? Bessere eine Augenmaske aus Rabenfedern. Sie warf einen verstohlenen Blick zu Alkar. Ein empörtes Krächzen drang aus der Hütte und Xara lachte.

 12. Rahja 6 n.Hal

Mit einer neuen Lieferung Eisenerz und Kohle kamen zwei Schreiben für Gerrik. Eines war auf ein lederartiges Stück Stoff geschrieben, doch zeigte sich deutlich die schwache Struktur von Fasern und Blättern :

Einen schönen Tag des Phex, Gerrik,

über eure Einladung war ich sehr verwundert, da ihr in dieser Ereignisse und Personen ansprecht, welche ich nicht kenne. Mir kommt es fast so vor als verwechselt ihr mich mit jemanden. Und einen Teil "meiner Lebensspanne" soll ich gegeben haben ? Sehr suspekt.

Ich kenne euch als vertrauenswürdigen Gefährten bei Abenteuern, aber gebt es zu: Ihr wollt mich aufs Glatteis führen. Vielleicht als Ergebniss einer feucht-fröhlichen Nacht, bei der euch diese Idee gekommen ist ? Trotzdem: Ein guter Versuch, und er wird von mir gewürdigt.

Bei "wirklichen Problemen" stehe ich euch jederzeit zur Verfügung. Macht's gut.

Ebinea von Kaliandor



Das andere war in eine Metallhülse eingefaßt, trug die Gravur zweier gekreuzter Hammer über einem Feuer und war von Boromur Goldbart:

Geschätzter Gerrick Gerdenwald,

es muß erst noch der Zwerg geboren werden, der eine Einladung zu einer Feier abschlägt.

Wenn es gutes Essen gibt, Wein und Bier im Überfluß und dazu auch noch Spielleute, die ihre Künste zum besten geben, dann ist Boromur Goldbart dabei.

Doch warum soll ich mich meiner Haut "erwehren" müssen?

Wie dem auch sei, so freue ich mich bereits jetzt auf die Festivitäten, wenngleich es für mich eine arg lange Reisestrecke darstellt. Erwartet mich pünktlich "Zum hohen Roß".

Ich werde mich umgehend an die Auswahl geeigneter Kleidung machen. Außerdem erlaube ich mir die Freiheit, Masken für uns beide anzufertigen. Betrachtet dies als persönlichen Dank für Eure Einladung.

Gezeichnet,

Boromur Goldbart
Geweihter des Angrosch




 18.Rahja 6 n.Hal

Aaron zog den schwer verwundeten Thalion aus dem Boot an das Ufer. Zeziliana eilte herbei und half ihm. Berim saß an Kopf und Schulter verbunden unter dem Zelt und wollte aufstehen. Aaron winkte ihm beschwichtigend zu. Berim sollte sich ausruhen. Die letzten Tage in diesem Hügel hatten an ihren Kräften gezerrt und sie vergiftet. Was immer auf dieser Insel gewirkt haben mag, es hatte verheerende Wirkung. Es hatte die Toten erweckt und ob dieser Frevel nicht unheilig genug gewesen wäre, es hatte die Bösartigkeit eines alten, toten Drachens zurückgebracht. Seine giftige Kraft, sein toter Atem hatte den gesammten Hügel verseucht und alles Leben sichte vor sich hin und erstarb an dem Dunst des Übels. Neues Leben mutierte zu gräßlichen, agressiven Formen des Seins. Was sich retten konnte, flüchtete von dem Hügel. So wie die Goblins. Mit dem Tod kehrte keine Ruhe ein. Die Toten, selbst die Knochen erwachten wieder zu neuen Übel - nichts anderes kennend als die Zerstörung des restlichen Lebens. Mit der Vernichtung des Drachenskelettes und seines gefangenen Geistes war der Quell versiegt. Der Kampf ging weiter.

Man hatte die unterirdischen Gänge erkundet, eine zweite Ebene gefunden und einen Stamm friedlicherer Goblin getroffen. Die Goblins wurden in's Freie gebracht und Aaron wollte sie in den Höhlen unterbringen. Als sie den Friedhof passierten, krochen hunderte von Leichen, Ghulen, Zombies und anderen verächtern Borons aus dem Sumpf. Die Goblins flohen in panischem Chaos. Die Abenteurer vernichteten was sie konnten, bis sie selbst in die Gänge zurückgedrängt wurden.

Zeziliana und die anderen schmiedete den Plan, die Gänge unerhalb des Klosters zum Einsturz zu bringen. Immer wieder wehrten sie die Toten ab. Tag um Tag gab es neue Kämpfe, während die Magierin mit Hilfe des kleinen Labors und ihrer Fähigkeiten, tragende Teile instabil machte. Ein Mahlstrom zeriß schließlich die letzten tragenden Wände, der Sumpf floß in die Gänge und brachte durch sein Gewicht die unterirdische Struktur vollständig zum Zusammenbruch. Fast wären die Abenteurer mit eingeschlossen worden. Knapp dem Tod entronnen, kämpften sie sich bis zum Ufer vor. Offensichtlich schleuderte der Hügel zum letzten Mal seine üblen Kräfte gegen die Menschen, denn überall wimmelte es von untoten Seelen.

Gerade als Aaron am provisorischen Zelt ankam gab es eine heftige Erschütterung, der mehrere Erdstöße folgten. Das kalte Wasser des Sumpfes traf im Inneren auf den heißen Kern des Hügel, der vor vielen Götterläufen der Insel das warme, fast dschungelartige Klima gab und die reinigenden Kräfte Ingerimms vollendeten ihr Werk ... die Insel versank im Meer.

Aaron, Berim, Zeziliana und Thalion machten sich am Abend auf nach Nostria.


 21. Rahja 6 n.Hal

Ein Krächzen weckte Gerrik aus dem Schlaf. Der Vorhang vor dem Fenster stand offen. Es war heiß in den Nächten. Mitten im Fenster saß ein großer Rabe und krächzte unentwegt. Gerrik tastete im Halbdunkel des Madalichts nach etwas werfbaren. Das Krächenz wurde leiser und formte sich zum Erstaunen des Kämpfers zu Worten:

Mit Freude habe ich eure Einladung erhalten. Gerne würde ich sie annehmen, denn ich denke ein paar ausgelassene Tage würden mir ganz gut tun. Und es wäre schön mal wieder interessante neue Leute kennenzulernen. - Eine Maskerade. Wie ungewöhnlich !

Ich werde rechtzeitig am vereinbarten Ort sein.





 30. Rahja 6 n.Hal

Rank kam mit der letzten Kutsche des Götterlaufes nach Gareth. Die Tore wurden geschlossen, die Wachen verdreifacht und die Bevölkerung richtete sich auf das Ende des Götterlaufes ein. Niemand wollte in den nächsten fünf Tagen die Stadt verlassen und am besten blieb man ganz im trauten Heim. Nicht, daß in Gareth etwas passieren könnte - nein. Aber ein paar Tage Ruhe brachten Kraft und neuen Tatendrang. Rank gehörte zu denen, die Ruhe nicht unbedingt genoßen, aber die folgenden Tage wollte er auf keinen Fall auf der Straße verbringen, bei Phex.

Rank öffnete das Schreiben sofort:

Werter Rank Rotfuchs,

leider hatten wir bisher nicht die Gelegenheit einander kennenzulernen. Ich kann Euch versichern, wann immer ich auf ehemalige Gefährten von Euch traf, wußten diese viel von Euch zu erzählen. Den Beschreibungen nach scheint Ihr ein Mann zu sein, der jedwedem Neuen gegenüber sehr aufgeschlossen ist, der stets offen auf andere zugeht und der zudem seine Umgebung zu unterhalten versteht.

Ich möchte Euch deshalb einladen mich und einige weitere Gäste zu einem aussergewöhnlichen Maskenball zu begleiten, der von einigen hohen Familien veranstaltet wird. Für das Leibliche Wohl wird dort ausgiebig gesorgt werden, um Euer eigenes müßt Ihr Euch jedoch selbst kümmern.

Wenn Ihr also Interesse habt, dann findet Euch doch bitte bis zum nächsten "Tage des Schwurs" in der Schenke "Zum hohen Roß" in Lowangen ein. Ich würde mich freuen Euch bei dieser Gelegenheit endlich kennenzulernen.


Hochachtungsvoll,             Gerrik Gerdenwald


Rank holte seine Schlüssel aus dem Gepäck und machte sich an die Schlösser seiner Truhe - nicht ohne vorher gewissenhaft die beiden kleinen Metallbolzen vorsichtig einzurasten. Das zweite Schloß klemmte. Der Schlüssel hatte sich verbogen und verkeilte beim Drehen. Rank bemühte seine Ausrüstung erneut. Unter einem Wortschwall von Beschümpfungen, die mal der Truhe, mal dem Hersteller und mal sich selbst galten, fingerte er im Schloß.

Rank packte seine neu erworbenen Schätze in die Truhe, holte leichtes Gepäck für die nächste Reise heraus, kontrollierte die leichten Waffen und seine Kleidung. Sein Blick blieb an seinem rechten Schuh hängen. Die Sohle war zur Hälfte ab und ein langer Riß verlief von den Zehen bis zum Knöchel. Nein, so konnte er unmöglich zu einem Ball.


Das Treffen

Personen : Gruppe um Gerrik   Gruppe um Aaron   Familie de Brion  



 5.Rondra 7 n.Hal

Am Tage des Schwurs trafen sich Gerrik, Xara, Boromur und Rank Rotfuchs im Wirtshaus zum hohen Roß. Während man auf Thalion Trendfort wartet, erzählten sie sich die Erlebnisse der vergangenen Götterläufe. Ein dunkel gekleideter Mann erkundigte sich bei ihnen nach einiger Zeit nach dem werten Trendfort. Daß die Gruppe nicht die einzigsten waren, die Thalion sprechen wollten, stieß auf keine große Verwunderung.

Am Abend tauchte Thalion endlich auf. Er begrüßte Gerrik herzlich, die schöne Dame Xara mit eleganter Verbeugung, Rank kurz und trieb mit dem Zwerg seinen Spaß. Er erkannte, einen Geweihten vor sich zu haben. Vor Thalions spitzer Zunge konnte das Boromur jedoch nicht retten.

Die beiden anderen Männer, die auf Thalion gewartet hatten führten ihren Auftrag aus. Sie attakierten den Lebemann hinterrücks. Gerrik und Boromur reagierten blitzschnell und halfen Thalion seine Widersacher zu besiegen. Einer viel dem Messer Thalions zum Opfer, der andere erstarte mitten in der Bewegung, nachdem er von den anderen umringt worden war. In seiner Hand hielt er eine lange, dünne, an beiden Enden spitz zulaufende Stabnadel. Thalion schien über den Vorfall keineswegs überrascht und die Gruppe vermutete, daß er die Attentäter kannte, obwohl er es abstritt. Aaron betrat Minuten später das Wirtshaus.

Aaron war besorgt. Die Angreifer waren vom Schattenrat beauftragt worden. Sein Freund Thalion lebte zwar ständig mit der Gefahr von Angriffen auf seine Person, aber diese beiden gehörten nicht zu den persönlichen Feinden. Die Befragung des Gefangenen durch die Stadtwache und Aaron brachte wenig. Aaron erkannte die Stabnadel und die Attentäter trugen das Zeichen des Rates, aber über den Auftraggeber schwieg sich der Gefangene aus. Aaron wußte, der Mann war konditioniert worden und würde eher sterben, als ein Wort über seine Lippen zu bringen.

 6-9.Rondra 7 n.Hal

Mit einer Kutsche ging es am nächsten Tag von Lowangen nach Süden in den Finsterkamm hinein. Die Reise verlief beinnahe ereignislos. Ein Angriff von Goblins endete, bevor er begann. Der Anblick von Boromur Goldbart trieb die kleinen Kreaturen in die Flucht. Zu viele von ihnen waren im Finsterkamm von den grimmigen Amboßzwergen niedergemetzelt worden. So rannten sie, wann immer sie auf einen Zwerg stießen, so schnell sie konnten.

An einer kleinen Poststation am Rande des Freigutes zur Dunkelschlucht traf man auf Berim Basar und Archa Zeziliana, die Blaue. Eine blauschwarze Kutsche mit dem Wappen der Brions, einem silberblauen Schwert auf dunkelblauem Untergrund stand bereit. Berim holte sich mit Armdrücken gerade einen Silbertaler nach dem anderen vom Kutscher, der zuvor noch nie von einem Reisenden besiegt worden war. Die Begrüßung verlief freundlich. Man erfuhr, daß der Steinbogen am Anfang der Straße zur Burg nur durchfahren werden konnte, wenn die Praiosscheibe gewichen und der erste Schatten das Tor berührt hatte. Einige neugierige der Gruppe wollten sich davon selbst überzeugen und als sie hindurchgingen geschah ... nichts. Zeziliana vermutete eine Art Brauch - das Tor trug keine magischen Kräfte. Die Kutsche wartete. Mit einsetzten der Dämmerung schwang der Kutscher die Peitsche und trieb die Pferde im volle Gallop auf die Paßstraße. Als Gerrik mit dem ersten Schatten der Kutsche folgte, spürte er, wie sein Pferd unter dem Torbogen stark zitterte. Das sensiblere Tier spürte den Hauch des Schattens, der über dem Freigut lag, etwas zwischen dem Leben und dem Tod.

Die Burg des Freiherrn Amstrad de Brion zur Dunkelschlucht lag im Nordosten des Finsterkammes einen halben Tagesritt vom Tor entfernt. In der einsetzenden Dunkelheit sahen die Reisenden von der steinernen, sich windenden schmalen Paßstraße vereinzelt Felder, Bauernhäuser und Jagdhütten in kleineren Tälern und Flußläufen. Die Burg leuchtete bald mit einem Licht den Weg.

Aaron war diesen Weg oft gegangen. Immer endete die Reise und der Besuch bei seinem Freund Amstrad mit Schwierigkeiten und Tod. Aaron bezeichnete wenige als Freund und um sein Vertrauen zu gewinnen, bedurfte es Jahre des Zusammenseins. Mit Amstrad verband ihn etwas besonderes. Amstrad war der einzige gewesen, der Aaron das Grauen und Schrecken seiner Frau erklären konnte. Aaron hatte das eiskalte, tödliche Sein, nicht begreifen können. Seine Geliebt war vor dem Abschlachten der Elfensippen vor Mengbilla die warmherzigste und gütigste Elfe gewesen, die er je gefunden hatte. Warum hatten sie die Götter zusätzlich bestraft und ihre Seele an Sumus Leib gefesselt? Warum ließen sie eine herzensgute Frau zu einer Todeselfe werden? Wie oft hatte er vor ihr gestanden und wollte sie erlösen. Wie oft widerstand er ihrem, den Wahnsinn bringenden Gesang und ertrug die eisige Kälte ihrer tödlichen Berührung. Doch sie tötete ihn nicht und er konnte sie nicht vernichten. Die Liebe der Vergangenheit war zu stark. Viele Götterläufe lang bewachte Aaron das Gebiet, in dem sie verweilte, um unwissende und neugierige, welche die unzähligen Hinweise der Gefahr nicht ernstnahmen, zu schützen. Erst mit Hilfe des Schattenrates wurde er befreit, ein andere Wächter gefunden. Der Rat, besonders Amstrad de Brion und seine Gemahlin Anastasia hatten sich dafür eingesetzt, die Todeselfe zu bewachen, anstatt sie zu vernichten. Sie würde zusammen mit Aaron am Ende mehr Leben retten als zerstören. Aaron hatte dies bis heute nicht verstanden. Die Brions retten das Leben der Sterblichen und vernichteten alles Übel, das seelenlos und ohne Ziel Zerstörung brachte. Anastasia hatte ihm damals in sein Ohr geflüstert, er sei die Seele seiner Frau.

Die Burg des Freiherrn Amstrad de Brion zur Dunkelschlucht war ein großer, rechteckiger Bau aus Quadersteinen mit Zinnen, Wehrscharten und einem flachen Dach. Es gab keine Türme, keine Anbauten, keine Verziehrungen. Eine einzige Tür auf der rechten Seite war alles. Es existierten nicht einmal richtige Fenster. Die Burg lag am hinteren Ende einer engen Schlucht, die niemals vom Licht der Praiosscheibe berühert wurde. Zu hoch waren die schützenden Steilwände des Finterkammes. Die Brions fürchteten nicht das Praioslicht, sie fühlten sich im Dunkeln einfach wohler. Ein kleiner Wasserquell am Ende der Schlucht versorgte das Gebäude mit Wasser. Ein Stall mit Wachhaus neben der Straße war in den Fels getrieben worden.

Das Innere der Burg war bei weitem nicht so karg und trostlos. Ein zwei Schritt breiter Rundgang und ein geheimer Quergang im Zentrum führten zu den 24 Zimmern der Burg. Die Zimmer waren luxuriös, bequem und mit gutem Geschmack eingerichtet und dekoriert. Edelhölzer, teuere Stoff, Teppiche, Bilder und Silberarbeiten brachten die Gäste zum Staunen. Neben den üblichen Räumen für die Versorgung der Burg, die Unterkunft der Gäste, den Gemächern der Brions und für Empfänge gabe es drei besondere Räume. Der dunkle Mondsaal mit den zwölf kleinen Schreinen der Götter, der einem durch seine unvergleichliche Einrichtung das Gefühl gab, in einer sternklaren Nacht unter freiem Himmel zu stehen, die Bildergallerie mit Personen und Landschaften aus dem Mittelreich, gemalt von Amstrad de Brion und das Waffen- und Rüstungszimmer mit den schwarzen, schimmernden Rüstungen und Waffen der Mitglieder des Schattenrates.

Die Gastgeber bekamen die Gefährten am ersten Tag nicht zu Gesicht. Sie suchten sich die Gästezimmer aus, erkundeten die Burg und tauschten Erfahrungen. Während ihres Aufenthaltes lernten sie das Dienstpersonal kennen:

Anderon Nevox, Wächter, Formwandler und persönlicher Schattenläufer der Brions
Hugo Susanna Wild, Verwalterin und Vorsteherin
Fatima, erste Magd
Elina Unitat, zweite Magd
Triff Brecht, erster Knecht
Arnulf Brecht, zweiter Knecht
Karleson, Stallknecht
Lantariala Nachtwind, Fährtensucherin und Sprecherin der Untertanen war zu dieser Zeit nicht anwesend

Die Familie Brion regierte über 85 Untergebene, der größte Teil bestand aus Bauern, Jägern und Händlern, die für den Erhalt des Freigutes und der Burg sorgten. Sie mußten einen Zehnt ihres Verdienstes an die Hochgeborenen abgeben und bildeten im Notfall eine Bürgerwehr. Der Freiherr unterstand mit seiner Länderei dem Sveltschen Städtebund in militärischen Angelegenheiten und es existierten Verträge mit dem Kaiserreich bezüglich der Anerkennung und dem Handel. Die Brions sicherten im Gegenzug ihren Untergebenen Schutz, die Länderei und sorgten in knappen Zeiten dafür, daß niemand Not leiden mußten. Sie waren gute, geschätze Herrscher.

Amstrad und Anastasia de Brion hatten keine Zeit für ihre Gäste. Sie diskutierten über die neue Nachricht des Hohen Herrn Kobald Surin zur Nachtwacht. In den letzten Götterläufen waren vier Mitglider des Schattenrates verschwunden. Kobald Surin war vom Rat beauftrag worden, die Vorfälle zu untersuchen. Er legte dem Rat ein erschütterndes Ergebnis vor. Es gab keine Erklärungen, keine Spuren, es gab nichts. Der Rat schloß die Untersuchung ab. Kobald Surin forschte weiter. Und er fand Hinweise auf einen Verräter. Jemand wollte gezielt die Mitglider des Rates auslöschen und den Rat zerschlagen. Zusammen mit den Brions wurden die Mitglieder und ihre Untertanen vorsichtig überprüft. Ein Bote hatte heute ein neues Schreiben überbracht. Kobald fürchtete, es könnte in den einzelnen Burgen Spione geben. Er habe seinen langjährigen Hofmagier Fadukka Gorines mit der Überprüfung der Spione betraut und hoffte auf baldige Aufklärung. Auch hatte Kobald zwei Mitglieder des Rates in den engeren Kreis der Verdächtigen aufgenommen. Jedoch wollte Surin, solange er keinen Beweis hatte, keinen Namen nennen. Die Brions diskutierten die ganze Nacht über die Beweggründe und Tragweite dieser Anschuldigungen. Es gab einfach keinen Vorteil für ein Mitglied gegen den Rat zu agieren.


Der Auftrag

Personen : Gruppe um Gerrik   Gruppe um Aaron   Familie de Brion  



 10.Rondra 7 n.Hal

Am nächsten Tag widmeten sich die Brions ihren Gästen. Es wurden Gespräche geführt, einige der Besucher näher eingeweiht, andere heimlich beobachtet, um ihre Fähigkeiten und ihre Vertrauenswürdigkeit zu prüfen. Aaron Falkenauge wurde zum Wortführer seiner Gruppe, Gerrik Gerdenwald, durch Empfehlung, für die andere akzeptiert. Man lernte mehr über die Geschichte und Bedeutung des Schattenrates, hörte über das Fest und erfuhr, daß es sich bei der Einladung eher um einen Auftrag handelte, bei dem die Hochgeborenen beschützt werden sollten.

Über die Wortführer erfuhren die Gefährten Details über den Auftrag und bei einem schmackhaften Mittagsmahl hatten sie Gelegenheit, Amstrad persönlich zu befragen.

Die Brions wollten, zusammen mit Kobald Surin, den Verräter im Schattenrat entlarven. Der beste Ort und die beste Zeit war der Tanz der Schatten, einem bevorstehenden Fest, das alle fünf Jahre von einem der hohen Familien abgehalten wurde und die Anwesenheit aller Mitglieder, sowie einer festen Anzahl von Gästen verlangte. Nach alter Tradition waren es genau 100 Teilnehmer. Da es 10 Familien des Rates gab, mußte jede Familie mit 10 Personen erscheinen. Die Gruppen um Aaron und Gerrik sollten an dem Fest teilnehmen. Ihnen oblag der Schutz des Freiherrn und seiner Gemahlin auf der Reise zum Schloß Drachenstein. Im Schloß sollten sie nach Hinweisen für einen Verrat suchen und eventuell kleinere Aufträge der Brions ausführen. Gelänge es, den Verräter zu entlarven und würde es zu einem Kampf kommen, sollten die Gefährten ihre Fähigkeiten und Waffen im Dienste des Rates dem Feind entgegenstellen und an der Seite der Brions kämpfen. Vorsichtig wies der Freiherr darauf hin, daß er trotz seiner Macht in solch einem Falle das Überleben des Einzelnen nicht garantieren konnte. Die übrige Zeit im Schloß stand es den Gefährten frei, sich dem Fest zu widmen und sich zu amüsieren.

Gerrik wurde vor der endgültigen Entscheidung zu den Brions gerufen. Aaron hatte den Freiherrn gebeten, mehr über den Rat zu erzählen. Gerrik erfuhr Einzelheiten, die kein anderer Außenstehender zuvor kannte und wurde gebeten, diese Details den anderen erst nach einer positiven Erklärung mitzuteilen. Desweiter bekam er von Amstrad ein lukratives Angebot. Wenn er ihnen bei der erfolgreichen Überführung des Verräters helfen und sich in den Dienst des Schattenrates stellen würde, könnte Amstrad ihm ein Stück Land mit einem Titel besorgen. Zu dem Geschäft gehörte auch die Rückgabe des Schwertes "Schattenarm" an Amstrad de Brion. Gerrik stimmte zu.

Anastasia de Brion war mit den Gästen nicht zufrieden. Sie konnte sehr gut ihren Gemahl alleine beschützen. Niemand der Anwesenden hatte auch nur im Geringsten etwas ihrer Kampfkunst und ihrer Macht entgegenzusetzen. Sie war eine Ritterin und Führerin des 1. Regiments ihres Hochlords gewesen, hatte dramatische Schlachten gegen die Seite des Lichtes geführt und sollte von Dilletanten beschützt werden. Wie sie oft zügelte Amstrad das Kämpfergemüt seiner geliebten Frau. Sie vermochte seiner Logik und seiner Liebe nichts entgegenzusetzen. Sie würde alles opfern, um seine Seele zu retten. Ihm zuliebe ging sie damals durch das Portal. Amstrad lebte nach dem neuen Kodex des Rates. Sie lebte für ihn.

In diesem Moment schimmerte die Wand. Ein fremder Schattenläufer, ein Spion, der die Fähigkeit besaß wie ein Kamäleon mit seiner Umgebung zu verschmelzen, war unvorsichtig geworden und hatten sich in der Gegenward Anastasias bewegt. Bevor er ein weiteres mal Luftholen konnte, traf ein gezielter Dolchwurf der Freiherrin seinen Hals. Ohne einen Laut sackte der Schattenläufer auf den Boden. Sofort verließ Anastasia das Arbeitszimmer und kontrollierte die Räume. Das Windspiel ihrer Haare verstärkte sich. Über den Spitzen ihrer Finger entstanden kleine, blaue leuchtetende Kugel aus reiner Energie. Im Gästezimmer überraschte sie Boromur und Xara beim heimlichen Tanzunterricht. Sie deutete blitzartig auf die Gestalt. Boromur sah zwei Lichtkugel auf sich zurasen. Sie blitzten haarscharf an seinem Kopf vorbei und durchschlugen einen weiteren Schattenläufer. Die Herrin eilte weiter.

Amstrad und Anastasia wußten, was der Vorfall bedeutet. Alle geheimen Information der letzten Tage waren an den Feind übermittelt worden. Die Schattenläufer trugen magische Stabnadeln, mit denen sie in Verbindung mit Mitgliedern des Rates standen. Die Schattenläufer waren vom Rat perfekt ausgebildete Spione mit besonderen Fähigkeiten der Tarnung und des Kampfes. Nun benutzte jemand sie gegen den Rat selbst. Amstrad fürchtete um die Gäste. Sie könnten mehr zu tun bekommen, als ihnen lieb war. Anastasia holte ihre eigene Stabnadel hervor und informierte den Wächter Anderon Nevox, der sich in der Poststation aufhielt, die Paßstraße zur Burg auf's Gründlichste zu kontrollieren.

 11.Rondra 7 n.Hal

Alle Gefährten bis auf die Magierin Zeziliana wollten den Brions helfen und stellten sich für die Zeit des Festes in ihren Dienst. Anstellte der Magierin würde eine Magd sie auf die Reise begleiten.

Anastasia de Brion stattete die Gruppen mit neuen Waffen aus, sofern diese es wollten. Die Mehrheit blieb bei ihren vertrauen Waffen und Amstrad hatte seine Frau gebeten, sich nicht in die Vorgehensweise und Wünsche der Gruppen einzumischen.


Die Reise

Personen : Gruppe um Gerrik   Gruppe um Aaron   Familie de Brion  

 11-13.Rondra 7 n.Hal

Am Nachmittag brachen zwei Kutschen und ein Reiter von der Burg zur Dunkelschlucht auf nach Westen.

Zeziliana folgte den Kutschen in sicherem Abstand. Ihre schwarzgraue Hautfarbe paßte sich gut der Umgebung des Finsterkammes an. Durch die großen, kräfigen Beine konnte sie den Kutschen mit Leichtigkeit folgen. Den Brions wäre sie auf dem Fest keine Hilfe. Ihre Verwandlungen waren zu gefährlich für die Gäste. Aber auf dem Weg zur Burg waren ihre Kräfte vielleicht von Nöten.

Die Vorahnung bestätigte sich schnell. Bereits am ersten Reisetag wurden die Kutschen überfallen. Eine Gruppe Banditen beschoß die Wagen und Fahrer aus den Bäumen heraus mit Schnellspannarmbrüsten. Die Salven kamen versetzt und die Reisenden lagen unter ständigen Beschuß. Aaron feuerte mit seinem Langbogen zurück, Thalion und Berim bekämpften die Schwertkämpfer der Banditen, die sich der Kutsche näherten und Gerrik stellte sich und sein Pferd zwischen zwei weitere Angreifer. Boromur eilte aus der Kutsche zwischen die Bäume und beschoß die Schützen mit seiner Schleuder. Zusammen mit Aarons Pfeilen trieb man die Schützen in die Flucht. Die Brions blieben in der Kuschte. Gerrik verlor im Kampf sein Pferd. Boromur und Gerrik gelang es einen der Angreifer gefangen zu nehmen, bevor er sich das eigene Leben nehmen konnte.

Noch am selben Tag erfolgte ein zweiter schrecklicher Angriff. Unvermittelt tauschte direkt vor den Pferden der ersten Kutsche eine nebelartige, wirbelnde Erscheinung auf, die alles in sich hineinzog. Die Pferde hatten keine Chance und eines nach dem anderen verschwand Wiehernd im Mahlstrom. Die Kutsche krachte und knarrte. Xara, Rank und Boromur sprangen heraus. Xara und Boromur gerieten in den Sog des Wirbels. Die Kutsche brach auseinander. Während Bormur dank seiner Körperkraft gegen den Sog ankämpfte, wurde Xara von den Beinen gerissen und Schritt um Schritt in das alles verschlingende Zentrum gezogen.

Die Gefährten waren in den Sekundenbruchteilen hilflos.

Zeziliana hörte die Schrecksenlaute der Pferd und eilte voran. Sie sprang mit einem riesigen Satz und landete einen Schritt vor dem Malhstrom. Ihre Klaue nagelte Xara's Körper an den Boden. Der Mahlstrom zerrte an Zezialianas Körper, die Kraft der Magie riß an ihrem Geist.

Aaron erkannte in dem schwarzen, chymärenartigen Wesen seine Begleiterin. Xara war nach wie vor in höchster Lebensgefahr. Eine falsche Bewegung und das Wesen würde sie zerreißen. Mit beschwichtigenden Handbewegungen zeigte er Xara und Boromur an, absolut bewegungslos zu bleiben.

Zeziliana kannte den Geruch des Mannes, der auf sie zukam. Der Mahlstrom löste sich auf. Ihr Geist wurde dunkel. Haß stieg in ihr auf. In einigen Schritt Entfernung rannte ein Mann ... ein Magier ... Beute. Zeziliana sprang über die Straße und hetzte dem Opfer hinterher.

Auf Anraten der Gefährten schlug die verbliebene Kutsche einen anderen Weg ein. Die Reisegruppe blieb unbehelligt und kam am Abend auf Schloß Drachenstein im östlichen Finsterkamm an.



Die Untersuchung

Personen : Gruppe um Gerrik   Gruppe um Aaron   Familie de Brion   Familie Surin   Familie Delamar  



 14.Rondra 7 n.Hal

Schloß Drachenstein war ein wahrhaft herrliches Schloß. Dominiert wurde der vierstöckige langgestreckte Quaderbau von zwei großen runden Türmen auf der rechten und linken Seite und zwei kleineren Türmen direkt neben dem Haupttor in der Mitte der Front. Ein flaches Kuppeldach spannte sich über den Haupttrackt des Schlosses. Überall gab es kleine Erker, Türmchen, Statuen und Mauerverzierungen. Große bunte Fenster brachten farbiges Licht in das Innere. Das Schloß lag in einem weiten Tal. Eine breite Bergstraße führte durch eine Mauer an einem imposanten Springbrunnen vorbei zu einem Kutschenrondell vor dem Eingangsportal. Linker Hand erstreckte sich ein Schmuckheckengarten, ein Labyrintgarten mit einer kleinen Gartenlaube der zwölf Götter und ein Rosengarten. Rechter Hand lag ein Steingarten und der Weg hinab zu einer tiefen Schluchtspalte. Die Häuser der Bediensteten, Ställe und Vorratshäuser lagen einen halbe Stunde Fußmarsch entfernt.

Als die Gruppe ausstieg, herrschte reges Treiben im Schloß. Die Edle Ophelia Lugotaan war kurz vor ihnen angekommen und ihr Gepäck wurde entladen. Die Brions und ihre Begleitung wurden in's Schloß geleitet. Der Verwalter Blitz Ladin begrüßte sie kurz und man bezog die vorbereiteten Zimmer im ersten Stock über dem Haupttor.

Die Eingangshalle beindruckte durch ihre Ausmaße. Die Halle reichte bis zum zweiten Stock. In ihrer Mitte stand eine steinerne Drachenstatue. Der Schwanz, um den gewaltigen Körper gewunden, umrundete die Halle, der Kopf schwebte in der Höhe des zweiten Stockes. Schuppen bedeckten den Körper und die Pranken waren beinahe Menschengroß. An allen Seiten führten Türen in neue Räume. Die Türen hatten Fenster unterschiedlichster Farbe. Die Einrichtung des Schloßes war pompös. Kostbare Teppiche und Bilder, Möbel aus teuren Edelhölzern, Verzierungen, Juwelen, Gravuren, Statuen aus Jade und Elfenbein, technische Kunstwerke, Brokat, Samt, Seide ... Trotz der Fülle der Kostbarkeiten wirkte kein Raum übervoll oder geschmacklos. Die über 80 Zimmer erforderten einen enormen Aufwand an Pflege und Ordnung. Das Personal war gut ausgebildet worden. Die wichtigsten Personen des Hofes waren :

Blitz Ladin, der oberste Verwalter
Elin Stoikum, Führer der Garde und oberste Wächter
Jessica Lang, erste Magd und Zofe der Gräfin
James Butler, erster Knecht
Maria Corbs, zweite Magd
Balduin Schreck, zweite Knecht und für die Kellergewölbe verantwortlich
Arx Feuerfaus, Chefkoch und Vorratsverwalter
Jester Junk, Hofnarr und Magier
Eslar Tenin Durak, oberster Schattenläufer

Der Graf Lorac Delamar war für seinen Geschmack bekannt. Er war ein Liebhaber schöner Blumen und Schmetterlinge und besaß eine beindruckende Sammlung lebender Exemplare. Die alte Dekoration des Schloßes, vorwiegend Jagdtrophäen und ausgestopfte Tiere hatte er kurzer Hand wegpacken und das Schloß vollkommen neu dekorieren lassen. Nun zierten Gemälde von Landschaften des ganzen Kontinentes die Wände, die Teppiche zeigten kostbare Blumenmuster und die Mosaike des Schloßes stellten friedliche Tierszenen dar.

Im Erdgeschoß des Schlosses befanden sich die Räume für Festlichkeiten und Empfänge : Der riesige Spiegelssal, der Speisessal, das Gesellschaftszimmer, der blaue und rote Salon, die Bibliothek, die Gallerie, Dienstzimmer und die beiden besonderen Zimmer, der Schmetterlingsraum und das Rosenzimmer.

Im ersten Stock des Schlosses lagen im Mittelflügel die Räumlichkeiten für Gäste. Ein geräumiges separates Bad, ein Springbrunnen, ein Kaminzimmer und ein kleiner Gesellschaftsraum machten längere Aufenthalte sehr angenehm. Der Ostflügel, teilweise durch geheime Zugänge verdeckt, war für Bedienstetenzimmer und Kammern vorgesehen. Der Westflügel, durch zwei Geheimtüren abgetrennt, besaß eine kleine Kapelle der Zwölf, das Rüstungs- und Waffenzimmer und den Schädelraum, einem speziellen Zimmer der Gräfin Chantal Lion Delamar, in dem sie der alten Zeiten gedachte.

Der zweite Stock war für die Sitzungen des Rates hergerichtet. Es gab zwei geräumige Konferenzsäle, mehrere kleine Beratungszimmer und ein paar Privaträume für hohe Gäste. Die meiste Zeit im Götterlauf standen die Zimmer leer.

Der dritte Stock beherbergte die Privatgemächer der Delamars. Der Ostflügel die Schlafräume und Kleiderkammern, der Mitteltrackt zwei kleine Arbeitzimmer und einen Spielraum. Der Westflügel mit Kinderzimmern und einem Gesellschaftsaal standen leer und wurden nie benutzt.

Vom ersten Stockwerk an begann ein schmaler Turm bis zum dritten Stockwerk. Es waren die Gemächer der Schläferin, einer gefährlichen Untoten, welche die Delamars beherbergten und bewachten. Ihre Quelle der Kraft war dem Schattenrat unverständlich und sie wollten die zerstörerischen Kräfte der Frau verstehen, um gezielter agieren zu können. In den Gemächern konnte sich die Schläferin frei bewegen. Der Zugang zu den Räumen wurde durch eine viele Finger dicke Eisentür versperrt.

Während die Brions warteten, untersuchten die Gefährten ihre Zimmer auf ungewöhnliche Einbauten oder Durchgänge. Sie entdeckten ein paar Vorkehrungen für optische Lichteffekte, welche die Räume in gemütliche Atmosphäre tauchten, aber keine Sicherheitslücken.

Während des ersten Tages erforschte die Gruppe um Gerrik das erste Stockwerk. Die Brions hatten sie auf einen versteckten Teil des Schloßes hingewiesen, der vielleicht Beweise für einen Verrat enthielt. Der Teil wurde nur von den Schattenräten benutzt, allerdings wußte die Gruppe dies nicht. Amstrad wollte eine gründliche Untersuchung des Stockwerkes und keinen blinden Aktionismus. Nach und nach lernte man das Schloß kennen, erkundete einzelne Räume und genoß, zusammen mit Amstrad und Anastasia ein Bad. Bei dieser Gelegenheit weihte Anastasia Gerrik in die Künste des Schwertes "Schattenarm" ein und erlaubte später dem beseelten Schwert eine Verbindung mit dem Kämpfer zu entwickeln.

Aaron und Thalion bekamen das dritte Stockwerk zur Erkundung. Sie schlichen sich dank Thalions Fähigkeiten an den vielen Schattenläufern im zweiten Stock vorbei, die für die Ratssitzungen wache hielten. Der dritte Stock brachte nicht viel. Die Gemächer wirkten lange unbenutzt, der Westflügel war leer und die Arbeitszimmer beinhalteten keine entscheidenden Informationen. Einzig eine Schriftrolle schien Aaron verdächtig und er nahm sie an sich. Die Suche dauerte den ganzen Tag. In der Nacht war ihnen der Rückweg versperrt. Die ersten Ratsmitglieder hielten Versammlungen und Amstrad hatte beide gewarnt, die Mitglieder tunlichst zu meiden. Die beiden begaben sich auf das Dach durch eine Luke, die Aaron beim besten Willen nicht gesehen hätte, aber Thalion wie selbstverständlich öffnete und hochstieg. Um keine Zeit zu verlieren kletterte Thalion spinnengleich die senkrechte Wand hinunter zum Fenster der Gefährten im ersten Stock und gab Zeichen. Kurze Zeit später holte Xara, auf ihrem Stab fliegend, die Rolle ab. Leider entpuppte sich das Schreiben als unwichtig. Aaron und Thalion verbrachten die Nacht auf dem Dach.

Berim bekam die ehrenvolle Aufgabe die Zimmer zu bewachen. Er war anfangs ein wenig beleidigt, fand aber nach einiger musikalischer und kulinarischer Unterhaltung den Posten bequem.

Zeziliana verfolgte den feindlichen Magier immer noch. Er hatte sein Pferd vor ihr erreicht und gallopierte die Straße entlang. Die Magierin folgte ihm. Ihr Geist hatte sich erholt und sie konnte ihren Verstand in der Verwandlung einsetzten. Sie beobachtet, wie der Magier an der Oststraße auf einem kleinen Hügel abstieg und wartete. Eine Kutsche näherte sich mit dem Zeichen des Auges des Schattenrates. Der Magier formte seine Hände und ein Feuerball raßte auf die Kutsche. Das triumphierende Lächeln des Magiers erstarb und wich einer häßlichen Fratze des Todes, als sich die Klauen der Magerin um seinen Hals schlossen. Zeziliana transformierte. Sie untersuchte den Leichname und erkannte den Lehrling des Hofmagiers Fadukka Gorines. Ihr kam ein ungeheurer Verdacht. Sie brauchte Ruhe für eine neue Verwandlung. Am Abend des nächsten Tages stieg sie empor in die Lüfte und eilte zum Schloß Drachenstein.

Amstrad und seine Gemahlin verbrachten die zweite Hälfte des Tages in Beratungen und Gesprächen. Unauffällig erkundeten sie die Räume des zweiten Stockwerkes, äußerten nebenbei verdächtige Vorfälle und beobachteten die Reaktionen ihrer Gesprächspartner. Amstrad versucht, äußerst bedacht, mit seinen mentalen Kräften die Gedanken seiner Gesprächspartner aufzufangen.

Kobald Surin kam am Abend an. Er bezog sein Zimmer im zweiten Stock und ging ohne auszupacken zu den Brions. Der Raum wurde magisch versiegelt. Kein Wort drang nach außen. Kobald berichtete seine neuesten Erkenntnisse. Die Edle Ophelia Lugotaan konnte von der Liste der Verdächtigen gestrichen werden. Ihre Schwester Antarial Lugotaan hatte sie unbewußt entlastet. Kobald vermutete entweder den Markverweser Lorenzo de Sabidurio oder den Schatten selbst hinter den Vorfällen. Amstrad bestätigte diese Vermutung. Keiner der niederen Mitglieder besaß das Wissen und die Macht und alle der Anwesenden hatten seine Tests bestanden.

 15.Rondra 7 n.Hal

Am Vormittag gingen die Untersuchungen weiter. Gerrik und seine Gefährten widmeten sich der Tür zur den Gemächern der Schläferin. Das Türschloß leistete Boromurs Fingern keinen Widerstand. Die schwere Tür vermochten sie selbst mit vereinten Kräften nicht zu öffnen. Man gab auf. Xara betonte zwar erneut, Wimmern und Weinen hinter den Mauern vernommen zu haben - vergeblich.

Rank erkundete den Schmetterlingsraum und fand eine Kristallkugel mit eingeschlossener Gewitterwolke. Daneben lag ein Glaskästchen mit dem einzigen toten, präparierten Tier, einem Nachtfalter der alten Welt. Rank hielt seine Neugier zurück und ging weiter. Eine kurze Begegnung mit dem Hofnarren Jester Junk sorgte für Kurzweil.

Xara spähte fliegend durch die Fenster des verborgenen Westflügels im ersten Stock und erkannte schemenhaft die Zimmer.

Aaron und Thalion saßen am Morgen immer noch auf dem Dach fest. Sie mußten zur Mittagszeit dem Eröffnungsbankett beiwohnen. Unter den Augen der Wächter gelang es Thalion erneut beide unentdeckt nach unten zu bringen. Aaron waren die Tricks von Thalion nicht fremd - zum Staunen brachte er ihn immer wieder.



Das Fest

Personen : Gruppe um Gerrik   Gruppe um Aaron   Familie de Brion   Familie Surin   Familie Delamar  



 15.Rondra 7 n.Hal

Das Bankett zur Tageswende am 15. Rondra eröffnete die Festlichkeiten. Nach der Reihenfolge des Kodex wurden die Mitglieder des Schattenrates angekündigt und betraten den Saal. Nachdem alle 100 Plätze belegt waren, sprachen sie Dankesreden zum Gastgeber und den Göttern und Lorac Delamar hieß alle Willkommen. Die Gardrobe der Adligen waren dem Anlaß entsprechend exquisite Stück, eines Königsfestes würdig. Es wurden erlesene Speisen aufgetafelt, die einzigartigen Nachspeisen der Mitglieder, es spielten Musikanten und Barden gaben ihr Bestes. Jester Junk brachte die Gäste zum Staunen und Lachen. Es war ein Mahl.

Die Gefährten hatten alle einige Probleme die Etikette des Adels einzuhalten. Dank ihrer Zurückhaltung schauten sie sich das Wichtigste ab und die Brions halfen mit Gesten und Mimik so gut es ging.

Nach dem Festessen sammelten sich die Gäste in den Salons und im Gesellschaftszimmer. Die Mitglieder des Rates traten zur großen Versammlung zusammen und erörterten Fragen, brachten Vorschläge ein, Stimmten ab und diskutierten Fälle und Vorgehensweisen. Der Gefangene der Brions wurde vorgeführt und befragt. Die Spuren der Folter zeichneten sein Gesicht - ohne Erfolg. Der Rat wandte seine eigenen Mittel an. Es brachte kaum mehr. Der Name eines Magiers war die wichtigste Aussage. Amstrad erfuhr mehr. Sein Geist schlich sich in den Verstand des Mannes. Und er entdeckte einen anderen Geist, stark genug, den Fragen des Rates mit Lügen zu antworten. Stark genug sich gegen Amstrads Kraft zu stellen. Der Mann sackte zusammen und wurde entfernt. Die Augen von Amstrad und Lorac trafen sich.

Bis zum Abend fanden Vorführungen von Magiern, Gauklern, Barden und Musikanten statt. Es wurden Spiele veranstaltet und Köstlichkeiten gereicht. Man spielte zu Tänzen auf und feierte.

Boromur, Rank und Xara beteiligten sich beim "Kugeln jagen". Die Kugeln entpuppten sich als Morphus, die mit ihren hochgiftigen Stacheln die Jäger beschossen. Dank eines Gegengiftes, das die Unwissenden vorher getrunken hatten, kam niemand zu Schaden. Abgesehen von einigen Einstichstellen, die tagelang brannten und juckten. Rank erdolchte eines der Tiere. Xara zog sich zurück, nachdem gutes Zureden mit einer Salve Stacheln beantwortet wurde. Boromur war der Held der Jagd. Er fing durch seine zwergische Hartnäckigkeit zwei Morphus lebend und erhielt zwei Beuteln Dukaten.

Kobald Surin fand am Abend Gift in seinem Wein. Er war gegen Gifte unempfindlich, wie die meisten des Rates. Für die Gäste enthielt die Flüssigkeit eine tödliche Dosis. Kobald warnte seine Untergebenen und schickte einen Schattenläufer aus, die Getränke der anderen zu kontrollieren. Es stellte sich heraus, daß nur noch die Getränke auf den Zimmern der Brions vergiftet waren. Zum großen Glück hatte dort niemand den Wein angerühert.

Der erst Festtag wurde durch den Schattenkampf beschlossen. Im Spiegelsaal sammelten sich die Gäste. Eine Gruppe Ritter in schwarzen, glänzenden Rüstungen und Schwertern trat im fairen Zweikampf gegeneinander an. Gerrik und Elin Stoikum nahmen am Wettstreit teil und sammelten ihre Erfahrungen. Der Endkampf wurde von zwei Ritterinnen ausgefochten. Das Aufeinandertreffen war spektakulär und raubte den Zuschauern den Atem. Gerrik hatte in seinem ganze Leben noch nie jemanden so kämpfen sehen. Die Schwertführung war perfekt und präsize, die Bewegungen trotz der schweren Rüstungen geschmeidig und schnell, die Attacken unvorhersehbar und einfallsreich. Es war ein Genuß. Nicht nur Gerrik bewunderte die Kunst der hohen Ritterinnen der dunklen Rose ... Es gab keinen Sieger. Beide stellten den Kampf ein, grüßten einander und senkten ihre Schwerter.

Anastasia de Brion spürte den Zorn und den Haß ihrer Gegnerin. Chantal Lion Delamar war damals in der alten Welt ihr nicht wohlgesonnen. Sie ertrug es noch immer nicht, einer Ritterin niederern Ranges begegnet zu sein, die ihr im Kampf gleichwertig war. Oder gar überlegen. Anastasia hatte die Beförderungen abgelehnt. Ihre neuen Aufgaben hätten sie zu lange von Amstrad getrennt. Die scharfe Kante des Schattenschwertes traf die Klinge Anastasias. Die Gräfin kämpfte gegen die Regeln des Schattenkampfes. Einzig die flache Seite des Schwertes durfte treffen. Irgendwie war es keine Überraschung. Die Delamars waren die Verräter und Amstrad würde den Beweis finden, früher oder später. Ein Ausfall stoppte die Gedanken der Hohen Dame. Sollte die Gräfin ihren Kampf haben. Anastasia konzentrierte sich auf ihr Schwert, fühlte den Schatten, spannten ihre Muskeln und versank im Kampf.

Ein weiteres Mal trafen sich der eisige graue Blick Lorac Delamars und die hellblauen Augen Amstrad de Brions. Amstrad hielt dem Blick stand. Seine Gedanken arbeiteten: "Er wußte es. Warum griff er nicht an? Warum wartete er? War er sich seiner so sicher? Gab es keine Beweise? Die Zeit lief davon." Lorac Delamar lächelte.

Der Rat versammelte sich erneut und tagte die Nacht bis zur Morgendämmerung.

Aaron und Thalion machten sich auf den Weg in das Kellergewölbe. Die andere Gruppe untersuchte weiter den ersten Stock. Thalion öffnete die Tür in der Bibliothek. Dieser Teil des Gebäudes war neu. Ein Gang ging, wie Boromur berichtet hatte von hier aus nach unten. Die Tür öffnete sich und ein Schattenläufer stand unvermittelt vor ihm. Einen Herzschlag später sah der Wächter niemanden mehr. Er ruckte herum und spürte einen ehernen Griff. Aaron drückte ihm die Luft ab.

Gerrik, Xara, Boromur und Rank erforschten den Westflügel. Die Geheimtür war schnell gefunden, ein Sicherheitsmechanismus mit Fallgittern wurde überwunden und die Schlösser der Räume geknackt. Der Rüstungsraum überstieg Boromurs Geschick, im Gegensatz zur Schädelkammer. Die Kammer wurde geöffnet und zwei Gestalten schälten sich aus der Wand. Die Schattenläufer griffen ohne Zögern an. Der Kampf war ungewohnt. Die Schattenläufer waren schnell und geschickt. Erst Boromurs unerwartete, "Tsa-Schmähende" Attacke brachte eine Wende. Gerrik wehrte sich gegen den anderen Wächter und zum ersten Mal fühlte er eine eigene Macht im Schwert. Die Wächter wurden besiegt. Im Schädelraum fand man eine Schriftrolle in fremder Sprache. Es war eine Auflistung aller Schattenratsmitglieder mit ihren Stärken und Schwächen, unterschrieben von Lroac Delamar. Die Gefährten hielten den Beweis in Händen. Eine solche Liste ermöglichte Mitglieder ohne Gegenwehr auszuschalten.

Anastasia hatten ein Treffen mit Ophelia unter vier Augen. Ophelia wurde eingeweiht und schloß sich den Brions an. Zwar fehlten ihr für eine Auseinandersetzung mit den Delamars die Kräfte, aber sie erklärte sich bereit, im richtigen Moment ihre Loyalität zu zeigen. Ophelia war nie eine Kriegerin gewesen. Sie war eine Diplomatin und diese Fähigkeit half ihr bei ihrer Ratsaufgabe weit mehr als blanker Stahl.

Zeziliana traf am Rande des Tals ein. Ihre Arme schmerzten und sie fühlte sich ausgelaugt. Ihr Blick wanderte zum Schloß. Sie mußte Surin ereichen und ihn warnen. Ein schwerer Schlag traf die Magerin am Kopf und sie verlor das Bewußtsein.

Elin Stoikum betrat die Ratssitzung, entschuldigte sich und bat Chantal Delamar um eine Unterredung. Er informierte sie über einen Überfall im Westflügel und den Tod zweier Schattenläufer. Ein dritter Schattenläufer nicht mehr auf seinem Posten und es gab eine Gefangene. Chantal blieb gelassen. Sie wußten von den Aktivitäten der Brions und ein Übergriff paßte gut in's Bild. Morgen Abend würde das Problem beseitigt werden. Sie würden den existierenden Schattenrat mit einem einzigen Schlag vernichten. So ein Fest im eigenen Haus war praktisch. Die Gäste würden schnell vor der Macht fliehen. Sabidurio war ein Feigling. Er hatte Kräfte, aber er würde seine armselige Existenz nicht gefährden. Ophelia hatte ihnen nichts entgegenzusetzen, genauso wie der Rest der niederen Familien. Sie würden sich dem Schatten fügen und fallen. Kobald würde durch seinen eigenen Hofmagier ausgeschaltet werden. Heute Nacht erfuhr Fadukka Gorines die schwache Stelle seines Herrn. Anschließend würden ihn die Schattenläufer zum Portal locken. Chantals Lippen wurden schmal. Die Knöchel ihrer Faust wurden weiß. Das Portal war die ganzen Jahrhunderte lang der Schlüssel gewesen und sie hatten es aus Angst vor dem Wächter gemieden. Wenn der Rat besiegt wäre, würden sie sich um den Wächter kümmern und dann wären sie frei. Ohne den Wächter gäbe es keine Qualen mehr, kein Verstecken, keine Regeln. Macht leuchtete in Chantals Augen. Dunkle böse Macht.


 16.Rondra 7 n.Hal

Thalion drückte den winzigen Knopf in der Struktur des Steines. Eine Tür glitt auf. Durch das verräterische Klicken gewarnt, wich er dem vergifteten Bolzen aus. Aaron folgte ihm mit gespannten Bogen. Seine Hand ruhte auf dem Juwel. Zwei Schattenläufer erschienen. Einer Sprang von der Decke, der andere schien aus dem Boden zu wachsen. Doch sie hatten einen Fehler gemacht. Sie standen zu dicht. Aarons Sehen sang und der Pfeil zischte, eine rote Leuchtspur hinter sich, auf die Wächter zu. Thalion pfiff anerkennend und sprang lässig über die Leichen hinweg.

Die Gäste und Ratsmitglieder probierten ihre Kleider für den Maskenball. Schneiderinnen halfen, nähten und berieten die Leute.

Boromur probiert ein Raupenkostüm. Es engte ihn in seiner Bewegung ein. Nichts für einen Tanz oder eine Auseinandersetzung. Mit Hilfe der Magd, die auch Xaras Festgewand und Ranks rote Gardrobe perfektionierte, wurde der Zwerg zu einem kleinen, rundlichen Prinzen verkleidet. Die metallenen Masken, die Boromur für Gerrik und sich speziell angefertigt hatte, paßten dazu ausgezeichnet. Gerrik hatte die Kleidung von seiner Wüstenreise dabei und fand Zuspruch der Magd. Die Maske rundete das Kostüm ab. Berim hatte eine einfache weiße Gesichtsmaske und einen weißen Umhang, den er einfach über seine Kleidung werfen würde. Darunter konnte er gut seine beiden kurzen Kampfstäbe verbergen. In jedem Ärmel einen.

Zeziliana erwachte in einem Raum, einer Zelle im Untergeschoß. Sie lag auf einer Holzplatte, ihre Arme und Beine mit eisernen Klammern gefesselt. Ein schwerer Metallkragen drückte ihren Kopf auf das Holz. Vor ihr Stand Fadukka Gorines und Kobald Surin. Sie befragten sie, hielten sie für eine Spionin und verlangten Informationen. Zeziliana schwieg. Der Magier könnte sie mit seinem Dolch sofort töten. Zeziliana flüsterte einen Spruch. Vergeblich. Das Metall blockierte die Energie. Kobald Surin war ungeduldig. Fadukka stand mit säuerlichem Gesicht daneben und wartete ab. Seine Augen beobachteten mehr seinen Herren als die Spionin.

Rank hatte zuvor beobachtet wie Blitz Ladin in einer Vorratskammer verschwand. Jeztt machte man sich an die Untersuchung der geheimen Bedienstetenzimmer im Ostflügel. Im Zimmer von Blitz Ladin fand Boromur eine wahre Herausforderung. Eine Kiste mit mehrfachen Giftnadeln und Schlössern gesichert. Dank des starken Gegengiftes der Morphu-Jagd und seinem Fingerspitzengefühl wurde das Geheimnis der Kiste gelüftet. Eine kleine, grüne, magische Gesichtsmaske. Leider fehlten die Fachkenntnisse. Die arkane Struktur und der Nutzen der Maske blieb ungewiß.

Der Tag verging. Der Rat war sich in vielen Punkten einig geworden. Die Aufnahme neuer Mitglieder nach einer komplizierten Prüfung war abgelehnt worden. Der Antrag konnte in einem Götterlauf neu gestellt werden. Die Schläferin wurde als zu gefährlich eingestuft. Ihre Seele konnte nicht als erwiesen bestätigt werden. Der nachweisliche Tod von über 30 unschuldigen Personen, die Zerstörung eines ganzen Dorfes und die Verfluchung eines Landstriches durch ihre Hand besiegelten das Urteil. Mit zwei Gegenstimmen wurde die Vollstreckung der Untoten angeordnet.

Es wurde Abend und die Festlichkeiten erreichten ihren Höhepunkt. Das Unterhaltungsprogramm wurde eingestellt, die Herrschaften kleideten sich für den Maskenball. Die Menschen strömten in den Spiegelsaal. Die Musiker verstummten. Der Major Domus kündigte die Mitglider des Rates an. Niemand erschien. Als das letzte Mitglied ausgerufen wurde, kamen die maskierten Adligen in wahlloser Reihenfolge in den Saal. Gerrik und die anderen erkannten die Verkleidungen der Brions. Die Hohen eröffneten den Ball mit dem Schritt der Fünf. Nacheinander kamen Paare hinzu. Ein Tanz nach dem anderen folgte. Der Reigen der Masken und Kostüme, der teuren Ballkleider, des Schmucks, der Musik und des gebrochenen, reflektierenden Lichtes durch hunderte von Spiegeln fing jeden in seinen Bann.


Der Tanz der Schatten

Personen : Gruppe um Gerrik   Gruppe um Aaron   Familie de Brion   Familie Surin   Familie Delamar  



 17.Rondra 7 n.Hal

Aaron starrte auf das Schriftstück. Es belegte eindeutig, daß einige der wichtigen Personen im Schloß ermordet und ausgetauscht worden waren. Es war die Rede von vier Wächtern mit besonderen Fähigkeiten, in der Lage gegen die niederen des Rates anzutreten. Aaron laß etwas von Schmetterlingen des Lichtes als Zeichen des Angriffs. Sie wußten genug. In Windeseile kehrten sie zurück in die Empfangshalle, zogen ihre Masken über und mischten sich unter das Volk. Sie mußten die anderen finden.

Das Licht im Spiegelsaal wurde gedämpft. Die Türen zum Rosenzimmer öffneten sich und ein Schwarm Schmetterlinge flatterte dem Licht entgegen zur Decke. Auf ihrem Weg rieselte leuchtender Staub von ihren Flügeln. Ein Sternenschweif glitzerte in der Dunkelheit.

Kobald Surin reißte der Geduldsfaden. Er mußte zum Tanz der Schatten. Er mußte bei den Brions sein. Aber was wußte diese Frau. War sie der Schlüssel zur Verschwörung. Sie war stark. Sie hatte ein unheimliche Macht in sich. Er konnte ihre Barriere nicht durchbrechen. Ihr Geist formte eine Wand. Er haßte es, aber es war zu wichtig. Er nickte Fadukka Gorines zu. Der Magier setzte seine Dolch an Zezilianas Brust. Schmerzen durchzogen ihren Körper. Nicht enden wollende Schmerzen. Fadukka trieb den Dolch weiter in ihren Körper. Wenn sie tot wäre, würde er Kobald töten. Endlich war der Moment gekommen. Zezilianas Geist wurde dunkel. Ihre Körper erschlaffte. Fadukka Gorines richtete sich auf. Kobald Surin schüttelte den Kopf, eilte zu der Frau und prüfte ihren Atem. Was hatte Fadukka getan? Er blickte ihn an und sah sein zufriedenes Gesicht. Kobald hatte nie einen freundlichen Audruck auf dem Gesicht des Hofmagiers gesehen. Fadukkas Augen verengten sich. Aus seinem Finger schoß eine Flammenlanze direkt in das Gesicht seines Herren. Kobald taumelte. Seine Augen waren blind. Er verstand nichts mehr. Zezilianas Augen färbten sich schwarz. Die Muskeln spannten sich. Die Nägel schnitten durch ihr Fleisch. Fadukka holte die Viole des Frostes aus seiner Tasche, zielte auf seinen hilflosen Herrn und ein Schmerz durchzog seinen Körper. Nicht enden wollende Schmerzen. Sein Kopf viel nach vorne, Blut lief aus seinem Mund. Er starrte auf die lange schwarze Kralle, die aus seiner Brust ragte.

Es kam Unruhe in den Spiegelsaal. Plötzlich standen am hinteren Ende sechs Gestalten. Elin Stoikum in silberner, glänzender Rüstung und gezogenem Schwert. Blitz Ladin mit gezücktem Florett und einem leichten, grünlichem Schimmern um seinen Körper. Jester Junk in schwarweißer Narrkleidung und klingenden Glöckchen. Und in der Mitte ein riesiger, glühender Feuergolem, aus dessen Hautrissen, Augen und Mund Feuer züngelte. Das Feuer des Golem reflektierte in den Spiegeln. Die Kerzen über ihm schmolzen in Sekunden. Die Bodenplatten warfen sich und zersprangen. Hitze flirrte um ihn herum. Hinter den vier Wächtern standen Chantal und Lorac Delamar. Über den Fingerspitzen der Gräfin leuchteten kleine, dunkelblaue Kugeln aus Licht. Die vier Wächter gingen auf die Gäste zu. Angst macht sich breit. Das sah nicht nach einem Teil des Festes aus.

Aaron und Thalion fanden die anderen Gefährten und zusammen bahnten sie sich den Weg in die Mitte des Saales. Die Festgäste wichen zurück an die Wand. Viele rannten zum Ausgang. Er war verschlossen, bewacht von Schattenläufern. Vor der Menge traten einige Personen den Delamars entgegen. Rank rannte nach links, um sich Jester Junk zu stellen, den Berim bereits erwartete. Gerrik konzentrierte sich auf die Brions, die sich demonstrativ in die Mitte vor alle anderen gestellt hatten. Ophelia Lugotaan gesellte sich zu ihnen. Angst stand in ihren Augen. Sie zitterte leicht. Ihre Hand konnte hier nicht helfen. Doch sie hielt ihr Versprechen. Boromur hatte ein Ziel vor Augen, den Frevel an Angrosch, den Golem. Aaron stand hinter ihm. Xara wich weiter zu Seite. Thalion erwartet Blitz. Die Wächter kamen immer näher. Die Delamar blieben an ihrer Position. Die Gefährten zogen ihre verborgenen Waffen. Rank ein Kurzschwert, Aaron setzte seinen Bogen zusammen, Berim wirbelte mit zwei kleinen Kampfstöcken, Thalion lockerte seinen Degen, Boromur griff in's Leere, Gerrik zog Schattenarm. Die Brions änderten ihre Position und schienen zwischen dem Golem und Blitz zu den Verräter zu wollen. Chantal Delamar hob die Hand und feuerte die Kugeln der Energie in die Menge. Panik brach aus. Der Golem stapfte voran. Feuer loderte aus seinem Mund. Blitz zischte in wahnsinniger Geschwindigkeit auf Thalion zu. Eine grüne Lichtspur war alles, was von ihm zu sehen war. Elins Haut schimmerte silbern im Feuerschein des Golems. Mit eherner Ruhe schritt er auf Xara zu. Jester Junk riß ein Glöckchen von seiner Narrenkleidung und schleuderte es auf Berim. Mittem im Flug schnellten Spitze Nadeln aus der Kugel. Der Golem brüllte. Der Tanz der Schatten hatte begonnen.


Thalion sah den grünen Lichtschweif überall. Er konnte keinen Gegner ausmachen. Hier leuchtete es, dort, hinter ihm, war weg, stand unvermittelt vor seinem Gesicht und verschwand. Thalion konzentrierte sich. Das Grün war unwichtig. Er war viel zu langsam, um ihn zu treffen. Das silberne Aufblitzen war seine einzige Chance. Das Florett zog seine eigene Spur. Thalion parrierte. Ein Stich im Bein. Grünes Blitzen. Er parierte den Schlag von hinten, drehte sich, ein stechender Schmerz in der Schulter. Blitz war zu schnell.

Xara sah den silbernen Ritter auf sich zu kommen. Er ignorierte alles um sich. Xara nahm ihren Stab, den Gerrik für sie in seiner Verkleidung mitgenommen hatte und warf ihn in Richtung des Ritters. Der Stab trudelte, fing sich und flog von allein auf den Ritter zu. Er wirbelte um Elin herum, schlug auf ihn ein, teilte Hiebe aus, peitschte über die Rüstung. Elin Stoikum ignorierte ihn. Seine eiserne Haut fing die Schläge ab. Dieser Stab war bestenfalls läßtig. Er näherte sich weiter Xara.

Berim hörte das Klingen des Glöckchens in der Luft. Er drehte seinen Körper zur Seite. Langsam, immer auf neue Wurfangriffe vorbereitet, näherte er sich Jester Junk. Rank stand hinter ihm und erwartete den nächsten Wurf. Er wollte das Geschoß mit seinem Kurzschwert zurückschleudern. Es klingelte. Berim wich aus. Rank traf daneben.

Boromur starrte auf den Feuergolem. Seine Schritte brachten den Boden zum Vibrieren. Die Hitze seines Körpers machte das Atmen unmöglich. Die Flammen schossen aus seinem Mund in die Menge. Viele starben. Boromur starrte auf seine leeren Hände. Eine Hand legte sich auf seine Schulter, ein kostbares, magisches Elfenschwert wurde ihm von hinter gereicht. Eine Waffe ! Und was für eine Waffe ! Boromur griff zu. Er stürmte auf den Golem. Mut hatte der Zwerg. Sein Bart versengte, seine Augen brannten und er stach zu. Keine Spur, kein Kratzer. Ein Befehl erscholl von hinten. Zurück. Ein Pfeil sang. Eine breite, offene Stelle aus Glut und Feuer öffnete sich am Bein des Golems. Boromur stach hinein. Lava quoll aus der Wunde. Der Golem brüllte einen prasselnden Schrei aus Flammen. Ein Befehl von Aaron. Ein Pfeil. Boromur griff an.

Die Brions schlängelten sich an den Wächtern vorbei. Eine zweite Salve schoß aus Chantals Fingern. Eine Lücke in ihrer Verteidigung. Anastasia rannte los. Im letzten Sprung zog sie ihr dunkles Schwert Schattenfeuer und ließ die Klinge auf Chantal niederfahren. In einer einzigen Bewegung zog diese ihr Schwert aus der Scheide und parierte den mächtigen Schlag. Die Ritterinnen der dunklen Rose kämpften erneut gegeneinander. Die Schwerter klirrten. Ihre Geister vereinten sich mit den Klingen. Sie wurden eins. Sie tanzten in einem tödlichen Zweikampf. Die Macht der Schatten prallte aufeinandern. Erbarmungslos, schnell und mit tödlicher Präzesion.

Gerrik versuchte den Brions zu folgen. Thalions Rufe lenkten seine Aufmerksamkeit auf einen anderen Gegener.

Schlag um Schlag wurde Thalion nach hinten gedrängt. Unzählige Stich und Schnittwunden erschöpften ihn. Er ging in die Knie. Seine Augen flimmerten von den grünen Lichtstreif. Thalion nahm seine Gedanken zusammen. Ein Stoßgebet kam über seine Lippen. Blitz Klinge fand sein Ziel. Thalion sackte zu Boden. Phex hatte ihn nicht gehört.


Amstrad formte seine Gedanken. Seine Geist wurde Kraft, seine Gedanken zu einer Waffe. Er griff an. Lorac blockte den mentalen Hieb. Seine Kraft war enorm. Amstrad schwankte. Sein Kopf wollte explodieren. Lorac stieß nach. Er hob die Hand. Amstrad spürte die Gefahr. Er senkte seinen Schutz, drang in Loracs Gedanken, befahl die Hand zu senken. Lorac zitterte. Amstrad schleuderte eine neue geistige Attacke auf den Verräter.

Es klingelte. Rank traf, das Geschoß rutschte die Klinge entlang und drang in Ranks Brust ein. Berim eilte nach vorne und beschäftige Jester. Flink wie ein Wiesel wich er den Schlägen Berims aus. Rank erkannte seine Chance und griff von der Seite an. Sein Schwert durchbohrte Jester. Rank zog es heraus und fand Stroh an seinem Schwert. Jester lag als Puppe vor ihnen. Rank rannte weiter, suchte einen neuen Gegner. Berim hörte ein leises Lachen. Jester lebte.

Xara holte ihren Stab zurück. Sie riß sich ein Haar aus und warf es auf den Boden vor die Füße des silbernen Ritters. Der Hexenknoten hielt ihn auf. Er trat auf der Stelle. Xara zog sich zurück.

Anastasias linker Arm schmerzte. Sie ignorierte das Gefühl. Schmerz bedeutete Tod. Chantal legte ihren Zorn, ihren Jahrhunderte langen Haß in jeden Schlag. Ihre Hiebe waren erfüllt von Macht. Ihr Schwert lechtzte nach der Energie ihres Gegners. Anastasias Kräfte ließen nach. Die Wucht des Haßes würde sie nicht mehr lange aushalten. Schattenfeuer ermahnte sie. Verlangte sie im Kampf. Anastasia verstand. Chantal legte zu viel Kraft in ihre Hiebe und Ausfälle. Der Haß war ihre Schwäche. Anastasia änderte ihre Taktik. Sie wich zurück, wich aus, attackierte weniger, erholte sich und reizte Chantal.

Vor Gerriks Augen huschte ein grüner Lichtstrahl. Blitz umwirbelte ihn. Dank der Rüstung prallte das Florett ab. Gerriks Schwert sauste durch die Luft. Wo war der Gegener? Ein Ritzer am Arm. Ein grünes Leuchten rechts. Gerrik schlug vorbei.

Xara schickte ihren Kampfstab Gerrik zu Hilfe. Der Stab flog durch die Luft, folgte dem Wirbel, Schlug aus, flitzte der Lichtspur hinterher, ruckte herum. Blitz war zu schnell für den Stab, wenn er rannte. Nur wenn er rannte. Der Stabd war zu schnell für Blitz, um ihn zu treffen. So jagten beide durch den Spiegelsaal.


Kobald Surin war geblendet. Er hörte das Röcheln des Magiers. Wie der Körper auf den Boden viel. Er hörte das schwere, Atmen einer Kreatur dicht vor seinem Gesicht. Er roch eine animalische Ausdünstung. Etwas bohrte sich durch seinen Körper. Er empfand keinen Schmerz. Er zuckte nicht. Er bewegte sich nicht. Die Kreatur verlor das Interesse. Die Kralle wurde hinausgezogen. Kobald hörte stampfende Schritte. Die Wunde in seiner Brust schloß sich sofort. Kobald bewegte sich nicht.

Berim wurde schwer an der Schulter verwundet. Jester jagte eine weitere Kugel auf ihn. Berim duckte sich. Das Klingeln der Geschosse in der Luft machte es ihm leicht. Seine Schlagstöcke wirbelten, Berim raufte Jester nieder und seine Stöcke zerschmetterten den Hals des Narren. Die Figur wurde weich, schmolz und floß in einer zähen Masse zu Boden. Berim fluchte.

Aaron legte seinen letzten Eispfeil ein. Der Golem hatte die Hälfte der Munition mit seiner Faust zerstört. Der Zwerg kämpfte tapfer und Stirindar, das Schwert, hielt der Hitze stand. Der Golem war bis auf zwei kurze Beinstumpen niedergerungen worden, war bewegunsunfähig, doch sein Feueratem und seine Fäuste töteten weiter. Nach dem nächsten Schuß rief er Boromur zu sich. Man tauschte kurz seine Gedanken aus. Boromur deutet auf den schweren, eisernen Kronleuchter an der Decke. Aaron legte einen Pfeil der Macht ein, legte seine Hand auf den roten Juwel im Griff des Bogens, spürte den Willen des Zauberbogens und schoß auf die Kette. Der Pfeil traf, explodierte und zersprengte das Glied an einer Seite. Der Leuchter rutschte, das Glied bog sich weiter. Die Bewegung stoppte. Der Kronleuchter hing am Glied, wie an einem Haken, schwang hin und her. Er fiel nicht. Boromur murmelte zu Angrosch. Sie blieben unbeantwortet.

Gerrik orientierte sich. Am anderen Ende standen sich Lorac und Amstrad gegenüber. Auge in Auge. Keiner bewegte sich. Rechts von ihnen kämpften die hohen Damen. Gerrik geriet einen Atemzug lang in den Bann dieses faszinierenden Schwertkampfes. Dort war sein Schwert fehl am Platz. Er rannte auf Lorac zu.

Lorac war stärker. Amstrads Schädel brannte. Seine Geist wich den Schlägen. Er verlor die Konzentration. Plötzlich spürte der Graf ein agressives Gefühl auf sich zukommen. Jemand griff ihn an. Er hob die Hand, ohne Amstrad aus der Fesselung zu lassen, fokussierte seine Gedanken zu einen Stoß, bewegte seine geöffnete Hand in die Richtung und wandelte die Kraft seiner Gedanken in Energie.

Gerrik spürte einen unheimliche Schlag auf seiner Brust. Etwas schleuderte ihn durch die Luft. Fünfzehn Schritt von Lorac entfernt prallte er auf den Boden. Sein Brustpanzer wurde eingedellte. Der Abruck einer geöffneten Hand zeichnete sich ab. Gerrik bekam keine Luft. Schnell wurden die Riehmen des Panzers entfernt.


Amstrad spürte Luft. Die Umklammerung lockerte sich. Er sendete einen Wirbel auf Lorca. Lorac taumelte rückwärts.

Rank schlich von hinten an den Ritter und rammte ihm das Schwert in den Rücken. Sein Arm stauchte, er hatte das Gefühl gegen einen Stein geschlagen zu haben. Rücklings behinderte er den Mann so gut es ging. Boromur kam hinzu. Er attackierte den Silbernen. Das magische Schwert Stirindar durchdrang den Rüstungschutz und die Eisenhaut. Elin suchte sich ein neues Ziel. Boromur erschwischte ein Hieb. Er warf Rank das Schwert zu und rannte weg. Elin folgte ihm, alles andere ignorierend. Rank griff an. Er konnte kein Schwert führen, es reichte um Elin auf sich aufmerksam zu machen. Das Schwert wechselte den Besitzer, Rank rannte, Boromur griff an.

Gerrik war stur. Erneut stürmte er auf Lorac Delamar. Schritt um Schritt kam er näher. Sieben, sechs, fünf ... Loracs Hand zeigte in seine Richtung. Knochen brachen. Die Luft blieb weg. Gerrik rutschte über den Boden und blieb liegen.

Xara's magische Kraft ging zu enden. Sie holte ihren Stab zurück und stieg in die Lüfte. Sie vesuchte von oben etwas zu ereichen. Der Kronleuchter war zu schwer. Die Kerzen geschmolzen und unbrauchbar. Sie hielt auf Lorac zu.

Gerrik taumelte auf die Füße. Das Atmen schmerzte. Seine gebrochenen Rippen bohrten sich in die Lunge. Jester stand vor ihm. Schattenarm fauchte. Jester sah den Schatten nicht. Gerrik führte einen einzigen Schlag. Jester blieb keine Zeit. Dieses Mal kam kein Spruch über seine Lippen. Das Schwert spaltete ihn.

Lorac dachte an nichts. Amstrad fand kein Ziel. Lorac spürte Verwirrung. Eine schwache Stelle. Er griff an. Lorac spürte wieder eine Annäherung von Agression. Er hob die Hand. Die Spur war weg. Lorac verlor die Kontrolle und schaute auf. Xara raßte auf ihn zu, aus der Luft, wie konnte sie ... ? Es krachte.


Amstrads Gegner war weg. Seine Gedanken, seine Gegenward. Amstrad blickte in die Realität. Lorac rappelte sich aus der zerschmetterten Kommode auf. Xara lag auf der anderen Seite und stöhnte. Die beiden Männer griffen wieder an. Gleichzeitig. Sie schwankten.

Die Taktik von Rank und Boromur ging auf. Langsam verwundeten sie den Ritter stärker. Doch auch ihre Kräfte schwanden. Elin hatte ein paar seiner Schläge durchbringen können. Boromur wurde schwer verwundet. Rank stand in der Mitte. Gerrik war plötzlich neben ihm. Gegen Schattenarm half keine Eisenhaut und keine Rüstung. Elin traf zur gleichen Zeit. Gerrik wurde bewußtlos. Boromur und Rank erledigten den Rest. Erschöpft und blutend robbte Boromur zur Wand.

Sein Augenlicht kehrte langsam zurück. Der Tisch war leer. Die eisernen Ringe aufgesprengt. Fadukka Gorines lag mit starren, offenen Augen in seinem eigenen Blut. Die Gitterstäbe der Zelle waren weit aufgebogen, zwei Stäbe herausgerissen. Kobald folgte dem Wesen. Hinter einer Biegung stieg er über die Überreste zweier Schattenläufer und sah diese Frau im Gang liegen. Er eilte zu ihr. Sie lebte. Ihr Mund, ihre Hände waren blutverschmiert. Sie nannte seinen Namen. Sie nannte den Namen der Brions und Aaron Falkenauges. Sie redete von einem Verräter. Sie erzählte von Fadukkas Schüler und dem Angriff auf die Kutschen. Kobald verstand schnell. Die Frau war zu geschwächt, um ihn zu begleiten. Kobald rannte weiter. Die Sprünge in der Decke schnürten ihm die Kehle zu. War es zu spät?

Um Rank wirbelte grünes Licht. In wenigen Sekunden kämpfte Blitz ihn nieder. Aaron ging es kaum besser. Ohne sein Schwert war er wehrlos. Blitz wirbelte weiter auf Berim zu.

Anastasia ging in die Knie, eine geschickte halbe Drehung nach oben, das Schwert zuckte unter ihrem Arm hindurch, ihr Elbogen traf Chantals Gesicht, sie parierte das Schwert der Gräfin, drehte ihre Klinge weg vom Körper, ließ Schattenfeuer das gegenerische Schwert emporgleiten, packte mit der zweiten Hand das Heft und zog durch. Chantal schwankte, machte zwei Schritte nach vorne und stürzte. Schattenfeuer hatte ihre Rüstung am Hals durchdrungen. Die Klinge raubte ihre Energie. Chantals Schatten schwand. Ihre Seele schwand. Die Transformation begann.

Lorac deckte sich hinter einem mentalen Schild. Ihm kam eine Idee. Er schlich sich leise in die Erinnerung Amstrads und entfesselte die Bilder von der Flucht durch das Portal. Amstrad hatte immer unter dem Bruch des Kodex gelitten und es bereut. Es war ein hinterhältiger Angriff. Amstrad verlor die Konzentration. Lorac hatte frei Bahn. Er bombadierte den Freiherrn mit einer Attack seines Geistes nach der anderen. Brion brach zusammen, hielt seinen Kopf zwischen seinen Händen. Lorac Schritt auf Amstrad zu, hielt seine eigenen Hände neben den Kopf seines Feindes und stellte sich einen mächtigen, eisernen Hammer vor. Er wandelte seine Vortellung in Energie und setzte sie frei.

Anastasia sah ihren Gemahl fallen. Sie stieß einen Schlachtruf aus alter Zeit aus und stürmte los.


Berim verwirrte Blitz durch seine scheinbare Schwerfälligkeit. Blitz unterschätzte den Gegener anfangs. Das Florett zischte daneben. Berim tanzte. Ohne auf das Leuchten oder das Florett zu achten, bewegte er sich wie ein Schattenboxer unvorhersehbar irgendwohin. Es half auf Dauer wenig, aber gab den anderen eine Chance, sich etwas einfallen zu lassen. Xara, nachdem sie etwas Luft zum Nachdenken hatte, durchfuhr eine Eingebung Hesindes. Die Maske. Die grüne Maske aus der gefährlich gesicherten Kiste. Xara flog durch das Schloß, über die Toten und kämpfenden Menschen in der Eingangshalle in ihren Raum, schnappte sich die Maske, setzte sie auf und flog zurück. Sie kam in den Raum. Ihre Augen blickten durch die Maske auf Blitz. Die magische Wirkung seiner Beschleunigung hörte auf. Berims Faust donnert in sein Gesicht. Berim warf sich auf den Mann und begrub ihn unter sich. Seine Elbogen und Faustschläge zerquetschten ihn.

Kobald stürmte die Treppe hinauf. Eine Frau flog über seinen Kopf hinweg die Treppe nach oben. Rechts rannten Menschen aus dem Spiegelsaal. Links kämpften Schattenläufer gegen zwei niedere Mitglieder des Rates. Ophelia stand umringt von zwei Gardisten im roten Salon. Kobald zog sein Schwert und stürmte zu ihr. Die Langmesser der Schattenläufer trafen ihn. Seine Wunden schlossen sich. Er streckte den ersten Kämpfer nieder. Zwei Gardisten warfen sich auf ihn und rissen ihn um.

Amstrad de Brion lag besiegt vor seinen Füßen. Lorac Delamar blickte auf. Seine Augen weiteten sich. Anastasia de Brion stand vor ihm. Er hörte den Atem Schattenfeuers. Er hob die Hand. Wirkungslos. Anastasia wirbelt herum und holte zum nächsten Schlag aus. Lorac starrte auf die Stelle, an der seine Hand gewesen war - ein Stumpf. Lorac verlor seine Beherrschung. Sein Geist konnte Anastasia nicht erreichen. Er erkannte ihre Gedanken nicht. Keinen Zorn, keinen Haß, keine Strategie, keinen geistigen Angriff, keinen geplanten Schlag. Schattenfeuer war eins mit seiner Herrin. Eiskalt führte er präzise jeden Angriff der hohen Dame aus. Schlag um Schlag holte er sich die Energie des Feindes. Sie war in ihrem Element. Sie brauchte nicht zu überlegen. Sie kämpfte mit ihrem Gefühl, ihrer Intuition und ihrer unendlichen Erfahrung. Lorac hatte keine Chance. Das letzte was er Wahrnahm, war eine Welle des Zorns, die Anastasia mit dem letzten Schlag frei lies. Sie raubte alles. Die Transformation setzte ein.


Anastasia schaute sich um. Loracs Kopf lag vor ihr. Die Gegner waren besiegt. Der Golem in einem Haufen geschmolzenen Gesteins verschwunden. Die eigenen Verluste waren hoch. Bis auf Berim, Xara und Boromur lagen alle am Boden. Auch Amstrad. Sie eilte zu ihm. Er bewegte sich nicht. Sie sah keine Atmung. Aber er hatte sich nicht transformiert. Anastasia fing sich. Sie gab Befehle, die anderen Körper der Ratsmitglieder so schnell wie möglich zum Portal zu bringen. Das Portal lag im Kellergewölbe hinter der Gallerie. Sie hatte es von Amstrad erfahren, der Loracs Gedanken während einer Versammlung unentdeckt gelesen hatte. Die Gefährten schleppten und zerrten. Sie durchquerten die Gallerie, die Tür stand offen, stiegen eine Treppe hinunter, durchquerten einen Wachraum, ein weißes, graues und schwarzes Zimmer und öffneten eine weitere Tür.

Boromur starrte in etwas Schwarzes. Der Raum hinter der Tür war dunkel. Boromur starrte jedoch auf etwas, daß noch dunkler war als die tiefste Nacht: Ein Skellet seiner Größe und Statur, Knochen aus Finsterniss, die jedes Licht in sich aufsaugten, lodernde, rote Augen, die jeden Mut zerschmetterten. Boromur erstarrte. Berim stand still. Xara rüherte sich nicht.

Anastasia stellte sich dazwischen und erwiderte den Blick des Portalwächters. Sie hatte keine Angst. Sie lebte nicht. Sie war nicht tot. Sie war ein Schatten, wie der Wächter. Der Wächter versperrte weiter den Durchgang. Anastasia nahm den Kopf Loracs, in der anderen Hand seinen Leichnam und Schritt auf den Wächter zu. Der Schattenwächter wich langsam zurück. Anastasia verschwand in der Dunkelheit.

Berim und Boromur warfen den Körper von Chantal Delamar durch die Tür.

Berim hörte ihren Schrei, ihren Schmerz, den Tod ihrer Seele. Ohne die sich in Wandlung befindenden Körper der Schatten hatte Anastasia keinen Schutz. Der Schattenwächter berüherte sie leicht, er forderte sein Opfer. Er war der Wächter. Keine Seele durchschritt dieses Portal der Dunkelheit. Ihre Seele verlöschte. Berim kniete nieder und betete für diese Frau, für ihre Opferbereitschaft, für ihre Erlösung. Er weinte.

Boromur und Xara eilten zurück in den Spiegelsaal. Boromur war siedendheiß eingefallen, daß noch ein Mitglied des Schattenrates gefallen war: Amstrad de Brion. Während Xara seinen Körper untersuchte, zog der Zwerg schon in die Richtung Portal. Amstrad Körpers war nicht eisig. Er löste keine Angst aus. Boromur hörte auf zu ziehen. Er atmete und kam zu Bewußtsein.

Amstrad erholte sich schnell. Sie hatten gesiegt. Ein Blick durch den Raum zeigte den Preis. Er befahl, die Gefallenen zusammenzutragen. Thalion war tot. Gerrik und Rank an der Schwelle zu Borons Reich. Aaron war schwer verwundet, aber lebte. Amstrad gab ihn ein wenig seiner eigenen Kraft. Amstrads Blick ging durch die Runde. Die Gefährten zögerten. Wer konnte Kraft seiner Lebenspanne schenken. Es dauerte zu lange. Aaron verzog leicht abfällig den Mund und stellte sich neben Amstrad. Der Freiherr wandelte Aarons Kraft in die Energie des Lebens und brachte Rank und Gerrik zurück in das Reich der Göttin Tsa. Amstrad warf einen Blick auf Thalion. Seine Verletzungen waren erheblich. Sein Geist hatte den Körper verlassen. Amstrad konnte Lebenskraft spenden. Das Heilen der Wunden war ihm unmöglich. Amstrad zögerte. In dem schwachen Licht der Kerzen störte ihn etwas. Thalion hatte keinen Schatten. Amstrad runzelte die Stirn. Der Zwerg unterbrach ihn.

Amstrad de Brion eilte zum Portal, als man ihm erzählte, was mit Anastasia passiert war. Er sank auf seine Knie. Sein Geist versuchte die Finsterniss zu durchdringen. Er fand Leere. Eine Leere des Nichts. Keine Existenz. Absolutes Nichts. Er schloß die Augen und gedachter seiner Liebe.

Aaron und Berim standen vor Thalion. Berim hob den toten Freund auf. Sie gingen nach draußen, verließen das Schloß und legten den Freund vorsichtig in den kleinen Tempel des Gartens. Aaron bat Berim die Totenwache zu halten. Er selbst müsse sich um die Seelen derer in dieser Welt kümmern.

Die Helden des Abends sammelte sich auf ihrem Zimmer. Kobald Surin sorgte zusammen mit Ophelia Lugotaan für Ordnung. Diener wurden angewiesen, den Verwundeten zu helfen. Man suchte unter den unzähligen Körper im Erdgeschoß nach Überlebenden. Die Toten wurden im Spiegelsaal aufgereiht. Die Lebenden wurden auf die Zimmer geschickt und dort versorgt. Zwei der niederen Familien und die Familie des Lorenzo de Sabidurio waren bereits während des Kampfes geflohen. Zeziliana stand vor dem großen Schloßportal und ließ auf Kobalds Anordnung niemanden mehr hinaus. Der Rat müsse jetzt zusammen eine Lösung finden oder er würde zerbrechen. Es gab Proteste, die Zeziliana und Kobald im Keime erstickten.

Eine Magd brachte Verbandsmaterial, Kräuter und Salben auf das Zimmer. Aaron versorgte die Wunden und die anderen Verbanden sich gegenseitig. Gerrik, Rank und Bormur waren schwach, aber außer Gefahr.


Der neue Schatten


...



Inhalt Praios/Rohal Beilunker Reiter 04.08.2001